Warum präsentieren die Marxisten die Geschichte als
etwas Ungewisses und Suspektes?
Die Marxisten versuchen, die
Menschheitsgeschichte als etwas Ungewisses, Vieldeutiges
hinzustellen. Allein den Urkommunismus betrachten sie als eine
glanzvolle Periode der Geschichte. So müßte ihrer Meinung nach
die Periode der Zweiten Kommune und die gesamte
Menschheitsgeschichte seit dem Auftreten des Privateigentums
eine Zeit der Herrschaft des Falschen, der Ungerechtigkeit,
der Korruption, der Niedertracht, des Massakrierens, des
Betrugs, der List und Tücke gewesen sein. So erklären sie den
Vormarsch der Wahrheit im Laufe der Menschheitsgeschichte:
Dieser Vormarsch sei nichts anderes gewesen als Arglist, eine
suspekte Ungewißheit über den anderen. Selbst Religionen und
Propheten spielten keine Rolle, sie hätten den Menschen nicht
verändert, der Mensch selbst hätte sie sich nur erschaffen.
Sie seien Werkzeuge in den Händen des Menschen gewesen, damit
Obskuritäten, Unwissenheit und Verdummung produziert werden
könnten, eine Droge, um das Volk seiner Denkfähigkeit zu
berauben. Hat jemand wirklich einmal von Gerechtigkeit und
Wahrheit gesprochen, so war bestimmt etwas Verdächtiges dabei.
Ist es denn möglich, daß jemand in einer Zeit des
Privateigentums tatsächlich Verteidiger des Wahren, der
Wahrheit und der Gerechtigkeit sei? Hin und wieder akzeptieren
die Marxisten Bewegungen von seiten der Unterdrückten, die in
der Geschichte stattgefunden haben (die Unterdrückten haben
revoltiert, um ihr Recht zu bekommen, nicht um die
Gerechtigkeit zu installieren. Aber sie bekommen ihr Recht
nur, wenn Gerechtigkeit geübt wird). Aber diese Bewegungen,
die zu einer Zeit stattfanden, als die Produktion privates
Eigentum, Bourgeoisie, Feudalismus, Sklaverei erforderlich
machte, konnten zu keinem idealen Resultat führen. Der Überbau
kann nur eine gewisse Zeit gegen den Unterbau laufen, nicht
auf unbeschränkte Dauer. Hat es eventuell in der Geschichte
ein Aufleuchten gegeben, provoziert durch das Interesse für
die Humanität, so war es nur ein vorübergehendes. Es wurde zum
Erlöschen gebracht, und Finsternis herrschte erneut, und das,
was gekommen war, den Menschen zu erretten, hat ihn doch
wieder mehr und mehr in sein Elend getaucht. Haben die
Religionen auch begrenzte Wirkungen verzeichnen können, so
konnten sie doch keinen Knoten des Menschlichen Lebens
entwirren. Sie sind wie Platons Utopie geblieben, die nur
einen idealen Plan vorstellte, geistig, unrealisierbar.
Niemand konnte sie zur Verwirklichung bringen. Nicht einmal
Plato selbst konnte auch nur ein einziges Dorf nach seinem
eigenen Plan begründen, und so widerrief er am Ende seines
Lebens seine These. Diese Vorgänge werden also nur als
historische Momente angesehen.
Regierte auch der Fürst der Gläubigen[1]
fünf Jahre mit wahrer, echter Gerechtigkeit, so beträgt seine
Regierungszeit im Vergleich zu der Dauer der
Menschheitsgeschichte nur eine kurze Sekunde. Daher kann man
sie nicht als "Periode der Wahrheit und Gerechtigkeit"
anrechnen. Was also die Geschichte regiert hat, ist allein
Dunkelheit und Ungewißheit. Es handelt sich hierbei um eine
Sorte listiger Argumentation, die manchmal selbst Gläubige
betrügt. Es ist einer jener verräterischen Pläne, die Religion
in Mißkredit zu bringen. Denn das, was die Unterdrückten und
Freiheitskämpfer verteidigen, ist die ganze Geschichte
hindurch immer der Verkünder von Freiheit und Gerechtigkeit
gewesen: Die Religion. Selbst die alten Philosophen haben
nicht an derartige Probleme gedacht. Es war die Religion, die
Gerechtigkeit geübt hat, sie hat vom Kampf gegen die
Unterdrückung, von Freiheit und Ehrenhaftigkeit, von
Gleichheit und Brüderlichkeit gesprochen. Es ist die größte
Verleumdung gegen die Geschichte, das alles abzuleugnen. In
einem meiner Vorträge, der den Titel "Das Hussain Epos" trägt,
habe ich gewisse Prediger kritisiert, Leute, welche die
Passion unseres dritten Imams (a.s.) vortragen, und habe dabei
gesagt:
Aschura, der zehnte Tag des Monats
Muharram[2],
hat zwei Aspekte, zwei Seiten, zwei Gesichter: ein weißes und
ein schwarzes, wie eine Geldmünze, die zwei Seiten hat. Die
eine Seite repräsentiert Unterdrückung, Verbrechen,
Grausamkeit, Feigheit und Härte. Die Helden dieser Seite sind
Omar-ibn-Sa'd, Schimr, Sinan-ibn-Anas, Harmale Kufi usw.
Während diese Seite die finsterste der Geschichte ist, ist die
andere eine der glanzvollsten. Sie repräsentiert die reine
Wahrheit: Hingabe, Begeisterung, Geduld und
Einwilligungsbereitschaft. Die Helden dieser Seite sind Imam
Hussain (a.s.), seine Brüder, seine Kinder, seine Neffen,
seine Freunde. Vergleicht man die Schönheit dieser Seite mit
der Häßlichkeit jener anderen, so läßt sich klar die
Überlegenheit der Ersteren erkennen. Diejenigen, die die
Geschichte von Aschura vortragen, pflegen jedoch den Zuhörern
immer seine finstere Seite darzustellen. Man kommt fast dazu
zu sagen, es gäbe im Prinzip gar keine weiße Seite. Es wird so
getan, als wären Imam Hussein (a.s.) und seine Kameraden nur
zugrunde gegangen, als wären sie nur unterdrückt worden und
hätten keinerlei Heldentum erlangt. Obwohl, wie ich sagte,
diese Geschichte zwei Aspekte hat und ihr schöner Aspekt
wesentlich bemerkenswerter ist als ihr häßlicher.
Diese Kritik ist jener ähnlich, die man
den materialistischen Historikern vorhalten könnte, die nur
von den dunklen Seiten der Geschichte zu berichten versuchen.
Denn von ihren Schönheiten zu sprechen, ist nicht im Interesse
ihrer Philosophie. Zeigten sie die Schönheiten der Geschichte
auf, würde der historische Materialismus ad absurdum geführt.
Denn sie sagen, seit das Privateigentum auf der Bildfläche der
Geschichte erschienen ist, haben die Menschen ihre
menschlichen Seite vollkommen vergessen, und, wie Marx
vorgibt, der Mensch sei entfremdet und in Umwandlung
begriffen. Sowohl Ausbeuter als auch Ausgebeuteter sei von
sich selbst entfremdet. Nur in der Zeit, als der Urkommunismus
herrschte, sei der Mensch ein echt menschliches Wesen gewesen;
und am Tag, an dem er den Zustand des Endkommunismus erlangt
haben würde, würde er wieder zum "menschlichen Wesen".
Zwischen diesen beiden Perioden verlasse der Mensch die
Menschlichkeit, und seine Geschichte weise daher keinen
einzigen strahlenden Moment mehr auf. Was ist nun zu tun? Es
muß abgewartet werden, bis der Wagen, der uns durch die
Geschichte fährt, alle auf dem Wege liegenden vorgeschriebenen
Stationen passiert hat und die Endstation erreicht. Diese
korrespondiert mit dem Zeitpunkt, an dem die Produktionsmittel
den Sozialismus und den Kommunismus fordern. Denn im Bezug auf
das In-Erscheinung-Treten des Sozialismus, begleitet von
Wahrheit und Gerechtigkeit, spielt der Mensch keine Rolle, er
kann es nicht beschleunigen oder verzögern. Der Sozialismus
muß spontan und natürlich seine Fortschritte nehmen, bis er im
vorgesehenen Augenblick in Erscheinung tritt.