Wahr und Falsch

Das Wahre und das Falsche

Ayatollah Morteza Motahhari

 

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Die reformatorische These

Wir haben gesagt, diejenigen, die glauben, der Mensch sei bösartig von Geburt an, und die der menschlichen Natur pessimistisch gegenüberstehen, haben keine reformatorische These aufzuweisen, denn sie halten ja den Menschen für unverbesserlich, und man braucht nicht in Utopien zu schwelgen. Auch Marx glaubte nicht an die reformatorische These. Er betrachtete jede reformatorische These zu der Zeit, als das Privateigentum existierte, als reine Illusion. Nach Marx ist jeder moralische Ratschlag die Menschen zu Gerechtigkeit zu ermuntern und zu Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft aufzurufen, nur ein imaginärer Sozialismus, denn der Materialist spricht dem Menschen jede Macht ab und unterwirft ihn der Gesellschaft und den Produktionsmitteln und hält ihn für einen Gefangenen der Geschichte. Marx sagt, die Entwicklung der Gesellschaft sei der Geburt eines Kindes zu vergleichen, das nicht zur Welt gebracht werden kann, bevor die Zeit nicht gekommen ist. Man müsse abwarten, bis die Produktionsmittel diesen Entwicklungsgrad erlangt hätten, der erlaubt, daß das Privateigentum verschwindet. Es ist mit einer schwangeren Frau zu vergleichen, die im dritten Schwangerschaftsmonat keinem normalen Kind das Leben schenken kann. Es gäbe nichts weiter als eine Fehlgeburt. Sie muß abwarten, bis der vorgesehene Zeitpunkt gekommen ist. Das einzige, was man tun kann, ist, die Schmerzen bei der Niederkunft zu verringern. Diejenigen, die im Menschen keinerlei Wesenheit sehen und glauben, alles sei durch die Gesellschaft fabriziert, sind Deterministen. Sie verwerfen die reformatorische These, denn will man sie akzeptieren, so muß man glauben, daß der Mensch sich der Restauration, der persönlichen Reform hingibt und das Wahre, die Gerechtigkeit und Ehrenhaftigkeit wiedereinführt. Durkheim beispielsweise glaubte fest an die sozialen Tatsachen, von denen er die moralischen ableitet, und er nimmt ganz einfach an, die Macht der sozialen Gegebenheiten beherrsche den Menschen. Autonomie und Freiheit sind reine Illusion. Alle, die seine Ansicht vertreten, glauben, der Mensch sei wie ein Magnetband, das alles aufzeichnet, was man will. Da das Band nichts anderes tun kann, wiederholt es das, was man darauf aufgenommen hat. Das Ergebnis dieses Glaubens an die Authentizität der Gesellschaft ist: Autonomie und Freiheit gewinnen nur einen Sinn, sobald man das anerkennt, was der Islam mit menschlicher Natur bezeichnet, was dem Menschen bei seiner Erschaffung in den Schoß gelegt worden ist, bevor überhaupt irgendeine Gesellschaft in Erscheinung getreten ist. Die reformatorische These steht also auf zwei Pfeilen:

 der Tatsache, daß man die Natur des Menschen nicht für böse hält;

 der Tatsache, daß man Freiheit und Autonomie des Menschen respektiert, das, was ihm erlaubt, die Gesellschaft zu überwinden, sich zu reformieren und die Gesellschaft so zu gestalten, wie er es möchte.

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