Leben Mohammeds

Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten

deutsche Übersetzung des englischen Buches "Mahomet and His Successors"

von

Washington Irving

Inhaltsverzeichnis

Vierunddreißigstes Capitel - Siegeseinzug in Medina – Bestrafung derjenigen, welche sich geweigert hatten, an dem Feldzuge theilzunehmen – Wirkungen des Bannes – Tod Abdallah Ibn Obba's – Zwistigkeiten im Harem des Propheten

Mohammeds Einzüge in Medina bei der Rückkehr von den kriegerischen Triumphen trugen das Gepräge der Einfachheit und Prunklosigkeit, welche alle seine Handlungen auszeichneten. Wenn bei der Annäherung an die Stadt seine Familie mit der Menge hinausging, um ihm entgegenzukommen: so pflegte er anzuhalten, um sie zu begrüßen und die Kinder des Hauses hinter sich aufs Pferd zu nehmen. In dieser einfachen Weise war es auch, daß er bei der Rückkehr aus dem Feldzuge wider Tabuc in Medina einzog.

Die Ankunft einer mit Beute beladenen Armee, welche auf der weitesten, von den Soldaten des Islams jemals unternommenen Expedition zusammengerafft worden war, war ein Ereigniß von zu großer Bedeutung, um von der Bürgerschaft nicht mit triumphirendem Jauchzen begrüßt zu werden. Niedergeschlagenen Geistes waren blos diejenigen, welche sich mit der Armee auszuziehen geweigert oder dieselbe auf dem Marsche verlassen hatten. Alle diese wurden zuerst mit dem Banne belegt, indem Mohammed seinen treuen Begleitern verbot, irgend einen Verkehr mit ihnen zu unterhalten. Durch ihre Zerknirschung und ihre Entschuldigungen jedoch erweicht, vergab er allmälig dem größten Theile derselben. Sieben von denen, welche unter dem Banne verblieben, geriethen in Verzweiflung, weil sie sich von der Gemeinschaft mit ihren Bekannten abgeschnitten und mitten in der jauchzenden Bürgerschaft geschändet sahen, und fesselten sich an die Mauern der Moschee, schwörend, daß sie daselbst bleiben würden, bis sie Verzeihung erlangt hätten. Andererseits schwur Mohammed, sie dort zu lassen, wenn nicht Anderes von Gott befohlen würde. Glücklicherweise empfing er in einem geoffenbarten Verse des Korans den Befehl; aber er verlangte, indem er sie aus den selbst angelegten Fesseln befreite, von ihnen ein Drittheil ihrer Besitzungen, um es im Dienste des Glaubens zu verwenden.

Zu den noch unter dem Banne Befindlichen gehörten Kaab Ibn Malec, Murara Ibn Rabia und Hilal Ibn Omeya. Diese waren ehedem unter den eifrigsten der öffentlich lehrenden Moslemen gewesen, und daher erschien der Abfall derselben in den Augen des Propheten zehn Mal verruchter als der ihrer Genossen, deren Glaube lau und zweifelhaft war. Deshalb dauerte gegen sie die Unversöhnlichkeit fort. Vierzig Tage blieben sie im Banne, und dieser erstreckte sich sogar auf den Umgang mit ihren Frauen.

Die Erzählung, welche von Kaab Ibn Malec über seine Lage während des Ausschlusses von der Gemeinschaft mitgetheilt wird, liefert uns von Mohammeds Macht über die Gemüther seiner Anhänger ein lebensvolles Bild. Kaab versicherte, daß ihn Jedermann floh, oder mit veränderter Miene betrachtete. Seine zwei Gefährten in der Ungnade verließen die Wohnungen nicht, er jedoch ging umher von einem Platze zum andern, aber Niemand sprach mit ihm. Er besuchte die Moschee, setzte sich neben dem Propheten nieder und grüßte ihn, aber sein Gruß wurde nicht erwidert. Am einundvierzigsten Tage kam der Befehl, daß er sich von seiner Frau trennen sollte. Jetzt verließ er die Stadt und errichtete auf dem Hügel Sala ein Zelt, entschlossen, sich der ihm zugemessenen Strafe in ihrer größten Strenge zu unterziehen. Jedoch sein Herz verschmachtete; die weite Welt schien, wie er sagte, für ihn eng zu werden. Am einundfünfzigsten Tage kam ein Bote, welcher die Hoffnung auf Verzeihung aussprach. Er eilte nach Medina und suchte in der Moschee den Propheten auf, welcher ihn mit strahlendem Gesichte empfing und ihm sagte, daß ihm Gott vergeben hätte. Kaabs Seele erhob sich aus den Abgründen der Verzweiflung, und in der Entzückung der Dankbarkeit gab er einen Theil seines Vermögens zum Sühnopfer für seinen Irrthum.

Nicht lange nach der Rückkehr der Armee nach Medina erkrankte der Khazradite Abdallah Ibn Obba, das Oberhaupt der Heuchler, so daß man sein Leben aufgab. Obgleich Mohammed von der Treulosigkeit dieses Mannes und den geheimen Ränken, welche er gegen ihn unaufhörlich geschmiedet hatte, wohl unterrichtet war: so besuchte er ihn doch wiederholt während seiner Krankheit, war bei ihm in der Sterbestunde und begleitete seinen Leib zum Grabe. An demselben verrichtete er auf dringendes Bitten des Sohnes des Abgeschiedenen Gebete, daß Gott ihm die Sünden vergeben möchte.

Omar machte Mohammed wegen des Betens für einen Heuchler im Stillen Vorstellungen, indem er ihn erinnerte, wie oft er von Abdallah verleumdet worden wäre; aber mittels einer Stelle aus dem Koran erhielt er eine schlaue Antwort: »Du kannst für die Heuchler beten oder nicht, wie du willst; aber obschon du siebenzig Mal beten würdest: so wird ihnen doch nicht vergeben werden.«

Demnach wurden die Gebete an Abdallahs Grabe aus Klugheit verrichtet, um die Gunst der Khazraditen und der mächtigen Freunde des Verstorbenen zu gewinnen, und in dieser Beziehung waren die Gebete erfolgreich; denn die meisten Anhänger des Abgeschiedenen wurden Ergebene des Propheten, dessen Oberherrschaft fortan in Medina unbestritten war. In der Folgezeit verkündigte er eine anderweitige Offenbarung, welche ihm das Beten am Todtenbette oder das Stehen am Grabe desjenigen verbot, welcher im Unglauben stürbe.

Aber wiewohl Mohammed über seine Schüler und die Bürgerschaft solche Herrschaft unbegränzt ausübte, so hatte er doch große Mühe, seine Frauen zu regieren und in seinem Harem die Ruhe aufrecht zu erhalten. Mit gnügender Unparteilichkeit scheint er in seinen ehelichen Angelegenheiten gehandelt zu haben, indem er jeder von seinen Frauen eine besondere Wohnung zuwies, deren alleinige Herrin sie war, und vier und zwanzig Stunden bei jeder der Reihe nach zubrachte. Es traf sich nun, daß Hafsa, bei welcher er gerade verweilte, zufällig die Wohnung verließ, um ihren Vater zu besuchen. Da sie unerwartet zurückkehrte, so überraschte sie den Propheten bei seiner bevorzugten und glücklichen Sclavin Mariyah, der Mutter seines Sohnes Ibrahim. Hafsas Eifersucht machte sich in lautem Geschrei Luft. Mohammed suchte sie zu beruhigen, weil er fürchtete, daß das Geschrei derselben den ganzen Harem zur Rebellion aufreizen würde: aber sie war nur durch einen Eid seinerseits zu beruhigen, daß er der Mariyah niemals mehr beiwohnen wollte. Unter diesen Bedingungen vergab sie ihm das Vergangene und versprach Geheimhaltung. Sie brach jedoch das Versprechen und offenbarte Ayescha die Untreue des Propheten, und in kurzer Frist war es durch den Harem bekannt. Jetzt vereinigten sich die Frauen zu einem Sturme mit Vorwürfen, bis er Hafsa, nachdem die Geduld erschöpft war, verstieß und dem Umgange mit den übrigen entsagte. Einen Monat lang lag er allein auf einer Matte in einem abgesonderten Gemache; aber endlich sandte Allah in Erwägung seines einsamen Zustandes das erste und sechste Capitel des Korans hernieder und entband ihn von dem Mariyah betreffenden Eide, welche sogleich die Genossin seines einsamen Zimmers wurde. Die widerspenstigen Frauen wurden jetzt zur Erkenntniß ihres Irrthums gebracht und durch dieselbe Offenbarung belehrt, daß die gewöhnlichen Menschen auferlegten Beschränkungen auf den Propheten keine Anwendung erleiden. Zuletzt nahm er Hafsa, welche bußfertig war, wieder zurück, versöhnte sich mit Ayescha, welche er zärtlich liebte, und nahm alle übrigen in angemessener Zeit zu Gnaden an; doch fortdauernd liebte er Mariyah, denn sie war schön anzuschauen und die Mutter seines einzigen Sohnes.

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