Vierunddreißigstes Capitel - Siegeseinzug in Medina –
Bestrafung derjenigen, welche sich geweigert hatten, an dem
Feldzuge theilzunehmen – Wirkungen des Bannes – Tod Abdallah
Ibn Obba's – Zwistigkeiten im Harem des Propheten
Mohammeds Einzüge in Medina bei der Rückkehr von den
kriegerischen Triumphen trugen das Gepräge der Einfachheit und
Prunklosigkeit, welche alle seine Handlungen auszeichneten.
Wenn bei der Annäherung an die Stadt seine Familie mit der
Menge hinausging, um ihm entgegenzukommen: so pflegte er
anzuhalten, um sie zu begrüßen und die Kinder des Hauses
hinter sich aufs Pferd zu nehmen. In dieser einfachen Weise
war es auch, daß er bei der Rückkehr aus dem Feldzuge wider
Tabuc in Medina einzog.
Die Ankunft einer mit Beute beladenen Armee, welche auf der
weitesten, von den Soldaten des Islams jemals unternommenen
Expedition zusammengerafft worden war, war ein Ereigniß von zu
großer Bedeutung, um von der Bürgerschaft nicht mit
triumphirendem Jauchzen begrüßt zu werden. Niedergeschlagenen
Geistes waren blos diejenigen, welche sich mit der Armee
auszuziehen geweigert oder dieselbe auf dem Marsche verlassen
hatten. Alle diese wurden zuerst mit dem Banne belegt, indem
Mohammed seinen treuen Begleitern verbot, irgend einen Verkehr
mit ihnen zu unterhalten. Durch ihre Zerknirschung und ihre
Entschuldigungen jedoch erweicht, vergab er allmälig dem
größten Theile derselben. Sieben von denen, welche unter dem
Banne verblieben, geriethen in Verzweiflung, weil sie sich von
der Gemeinschaft mit ihren Bekannten abgeschnitten und mitten
in der jauchzenden Bürgerschaft geschändet sahen, und
fesselten sich an die Mauern der Moschee, schwörend, daß sie
daselbst bleiben würden, bis sie Verzeihung erlangt hätten.
Andererseits schwur Mohammed, sie dort zu lassen, wenn nicht
Anderes von Gott befohlen würde. Glücklicherweise empfing er
in einem geoffenbarten Verse des Korans den Befehl; aber er
verlangte, indem er sie aus den selbst angelegten Fesseln
befreite, von ihnen ein Drittheil ihrer Besitzungen, um es im
Dienste des Glaubens zu verwenden.
Zu den noch unter dem Banne Befindlichen gehörten Kaab Ibn
Malec, Murara Ibn Rabia und Hilal Ibn Omeya. Diese waren
ehedem unter den eifrigsten der öffentlich lehrenden Moslemen
gewesen, und daher erschien der Abfall derselben in den Augen
des Propheten zehn Mal verruchter als der ihrer Genossen,
deren Glaube lau und zweifelhaft war. Deshalb dauerte gegen
sie die Unversöhnlichkeit fort. Vierzig Tage blieben sie im
Banne, und dieser erstreckte sich sogar auf den Umgang mit
ihren Frauen.
Die Erzählung, welche von Kaab Ibn Malec über seine Lage
während des Ausschlusses von der Gemeinschaft mitgetheilt
wird, liefert uns von Mohammeds Macht über die Gemüther seiner
Anhänger ein lebensvolles Bild. Kaab versicherte, daß ihn
Jedermann floh, oder mit veränderter Miene betrachtete. Seine
zwei Gefährten in der Ungnade verließen die Wohnungen nicht,
er jedoch ging umher von einem Platze zum andern, aber Niemand
sprach mit ihm. Er besuchte die Moschee, setzte sich neben dem
Propheten nieder und grüßte ihn, aber sein Gruß wurde nicht
erwidert. Am einundvierzigsten Tage kam der Befehl, daß er
sich von seiner Frau trennen sollte. Jetzt verließ er die
Stadt und errichtete auf dem Hügel Sala ein Zelt,
entschlossen, sich der ihm zugemessenen Strafe in ihrer
größten Strenge zu unterziehen. Jedoch sein Herz
verschmachtete; die weite Welt schien, wie er sagte, für ihn
eng zu werden. Am einundfünfzigsten Tage kam ein Bote, welcher
die Hoffnung auf Verzeihung aussprach. Er eilte nach Medina
und suchte in der Moschee den Propheten auf, welcher ihn mit
strahlendem Gesichte empfing und ihm sagte, daß ihm Gott
vergeben hätte. Kaabs Seele erhob sich aus den Abgründen der
Verzweiflung, und in der Entzückung der Dankbarkeit gab er
einen Theil seines Vermögens zum Sühnopfer für seinen Irrthum.
Nicht lange nach der Rückkehr der Armee nach Medina
erkrankte der Khazradite Abdallah Ibn Obba, das Oberhaupt der
Heuchler, so daß man sein Leben aufgab. Obgleich Mohammed von
der Treulosigkeit dieses Mannes und den geheimen Ränken,
welche er gegen ihn unaufhörlich geschmiedet hatte, wohl
unterrichtet war: so besuchte er ihn doch wiederholt während
seiner Krankheit, war bei ihm in der Sterbestunde und
begleitete seinen Leib zum Grabe. An demselben verrichtete er
auf dringendes Bitten des Sohnes des Abgeschiedenen Gebete,
daß Gott ihm die Sünden vergeben möchte.
Omar machte Mohammed wegen des Betens für einen Heuchler im
Stillen Vorstellungen, indem er ihn erinnerte, wie oft er von
Abdallah verleumdet worden wäre; aber mittels einer Stelle aus
dem Koran erhielt er eine schlaue Antwort: »Du kannst für die
Heuchler beten oder nicht, wie du willst; aber obschon du
siebenzig Mal beten würdest: so wird ihnen doch nicht vergeben
werden.«
Demnach wurden die Gebete an Abdallahs Grabe aus Klugheit
verrichtet, um die Gunst der Khazraditen und der mächtigen
Freunde des Verstorbenen zu gewinnen, und in dieser Beziehung
waren die Gebete erfolgreich; denn die meisten Anhänger des
Abgeschiedenen wurden Ergebene des Propheten, dessen
Oberherrschaft fortan in Medina unbestritten war. In der
Folgezeit verkündigte er eine anderweitige Offenbarung, welche
ihm das Beten am Todtenbette oder das Stehen am Grabe
desjenigen verbot, welcher im Unglauben stürbe.
Aber wiewohl Mohammed über seine Schüler und die
Bürgerschaft solche Herrschaft unbegränzt ausübte, so hatte er
doch große Mühe, seine Frauen zu regieren und in seinem Harem
die Ruhe aufrecht zu erhalten. Mit gnügender Unparteilichkeit
scheint er in seinen ehelichen Angelegenheiten gehandelt zu
haben, indem er jeder von seinen Frauen eine besondere Wohnung
zuwies, deren alleinige Herrin sie war, und vier und zwanzig
Stunden bei jeder der Reihe nach zubrachte. Es traf sich nun,
daß Hafsa, bei welcher er gerade verweilte, zufällig die
Wohnung verließ, um ihren Vater zu besuchen. Da sie unerwartet
zurückkehrte, so überraschte sie den Propheten bei seiner
bevorzugten und glücklichen Sclavin Mariyah, der Mutter seines
Sohnes Ibrahim. Hafsas Eifersucht machte sich in lautem
Geschrei Luft. Mohammed suchte sie zu beruhigen, weil er
fürchtete, daß das Geschrei derselben den ganzen Harem zur
Rebellion aufreizen würde: aber sie war nur durch einen Eid
seinerseits zu beruhigen, daß er der Mariyah niemals mehr
beiwohnen wollte. Unter diesen Bedingungen vergab sie ihm das
Vergangene und versprach Geheimhaltung. Sie brach jedoch das
Versprechen und offenbarte Ayescha die Untreue des Propheten,
und in kurzer Frist war es durch den Harem bekannt. Jetzt
vereinigten sich die Frauen zu einem Sturme mit Vorwürfen, bis
er Hafsa, nachdem die Geduld erschöpft war, verstieß und dem
Umgange mit den übrigen entsagte. Einen Monat lang lag er
allein auf einer Matte in einem abgesonderten Gemache; aber
endlich sandte Allah in Erwägung seines einsamen Zustandes das
erste und sechste Capitel des Korans hernieder und entband ihn
von dem Mariyah betreffenden Eide, welche sogleich die
Genossin seines einsamen Zimmers wurde. Die widerspenstigen
Frauen wurden jetzt zur Erkenntniß ihres Irrthums gebracht und
durch dieselbe Offenbarung belehrt, daß die gewöhnlichen
Menschen auferlegten Beschränkungen auf den Propheten keine
Anwendung erleiden. Zuletzt nahm er Hafsa, welche bußfertig
war, wieder zurück, versöhnte sich mit Ayescha, welche er
zärtlich liebte, und nahm alle übrigen in angemessener Zeit zu
Gnaden an; doch fortdauernd liebte er Mariyah, denn sie war
schön anzuschauen und die Mutter seines einzigen Sohnes.