Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Lorient, November 1877

Ein jedes Leben hat Zeiten voller Verdrießlichkeiten, die schlecht und recht überwunden werden müssen, indem man der Wirklichkeit ins Auge schaut. Ein solcher Zeitraum ist mir angebrochen: seit meiner Wiederkehr nach Frankreich rings Schwierigkeiten und Verdruß. Ich hatte geplant, nach Paris zu fahren und diese Reise ist aufs Ungewisse vertagt. Ich hoffte, in Ruhe mich meiner Lieben freuen zu dürfen, meines alten Hauses, meiner Kindheitserinnerungen. Nun ward mir in Rochefort militärischer Dienst ohne Ende, Einschiffungen und unfreiwillige Spazierfahrten durch die Reede der Insel von Aix. Nur ganz wenig streifte ich bisher durch meine lieben Wälder von Fontbruant und La Limoise, die mir nun, und für lange wohl, entrückt sind. Ich habe zwei gute Kameraden aus der Marineschule verloren, und jeder von ihnen läßt eine kleine Leere in meinem Dasein zurück. Und noch einen Verlust beklage ich: In der Ecke meines Hofes habe ich eine schwarz-weiße Katze begraben, die mir treue Gefährtin war auf meinen Wanderfahrten.

Das ist das Ergebnis all dessen, was sich in diesem Herbst begab. Meine Bemühungen, in die Türkei zurückzugelangen, führten dahin, daß ich hierher nach Lorient verschlagen wurde, wo ich nun als Spielball des Zufalls hocken muß.

Ungenützt schleicht die Zeit. Vom Morgen bis zum Abend vergehen mir die Tage tief im Waldesinnern. So lang ich bin, liege ich im Heidekraut, bis die Nacht kommt und mich verscheucht.

Ich habe gehört, daß meinem armen Freund in Annecy vor einiger Zeit bei der Arbeit die Hand zermalmt ward, und ich erfuhr auch auf indirektem Wege, daß er und seine alte Mutter infolge dieses Unglücksfalles in bitterste Not geraten sind. Ich habe versucht, ihm zu dem Schadenersatz zu verhelfen, auf den er ein Anrecht hat, aber vergebens. Was nützt es, daß man sich bemüht, in einem geordneten und gesitteten Lande, wie unseres ist, zu leben, wenn es hier nicht möglich ist, Gerechtigkeit zu erlangen?!

Von allen Seiten und überall sehe ich nichts als düstere Bilder.

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