Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Brief Pierre Lotis an seine Mutter.

Lorient, 22. März 1878.

Geliebte Mutter!

Heute morgen bin ich nach Lorient zurückgekehrt, wo ich Deinen Brief vorfand. Es wird Dich überraschen, daß ich nicht aus Paris komme, wohl aber aus Plounès-en-Goëlan, einem bretonischen Dörfchen, etwa vierzig Meilen von hier, nahe von Paimpol.

Ich hatte vor, am Sonntag nach Paris zu reisen, als ein Brief von V. L. eintraf, der mir meldete, daß aus der Sache nichts würde (die Publikation von Aziyadé). Da schien es mir unnütz, hinzureisen, da ich doch ohnehin bald auf dem Wege nach Rochefort vorüberkomme. Blieb mein Urlaubsschein, den ich ausnützen wollte. Mein Matrose Yves reiste gerade zum Besuch seiner alten Mutter ab und bestand darauf, mich mitzunehmen. Dein blaues Trikot kam gerade zurecht: ein roter Gurt und eine Kappe ergänzten ein Kostüm, das den Umständen angemessen war.

So sind wir denn alle beide am Sonntag nach Plounès gefahren, woselbst Yves' Rückkehr gefeiert ward, gleich der des verlorenen Sohnes. Als »ein Bruder von der Küste« eingeführt, verbrachte ich vier Tage fischend und umherstreifend in einem malerischen Land. Charakteristische bretonische Bauernhäuser, gute, alte Mütterchen aus der Vorzeit mit Rad und Spindel, Krabben, Apfelwein und mildes Frühlingswetter.

Nach vierundzwanzigstündiger Fahrt kehrten wir heute morgen zusammen zurück. Für alle anderen Leute komme ich aus Paris, nur nicht für meine bucklige Freundin, die die Sachlage kennt.

Paris, März 1878.

Für zwei Tage in Paris. Berufung durch ein Telegramm zu Michel Lévy, dem Verleger. Zwei recht bewegte Tage, die wenigstens den Vorteil hatten, mich meinem düstern Grübeln zu entreißen.

V. L. und Delguet wetteiferten miteinander, meine wenigen freien Augenblicke recht festlich zu gestalten.

Bei Delguet fand ich ein Wesen wieder, dem mehrere Seiten meiner früheren Aufzeichnungen gelten: die »Fratine«.

Die kleine Fratine in verbesserter Auflage, als elegante Dame voller Charme, die mir die Honneurs »ihres Hauses« machte.

Heute abend gab sie ein Diner für V. L. und für mich, und wir haben in Gemütlichkeit alte Erinnerungen aufgefrischt. Als aber die Rede auf Annecy kam, war die Fratine so verwirrt, als glühte ihr Gefühl für mich noch immer in ihrem Herzen. Sie senkte das Haupt und küßte ihr kleines Kind, das neben ihr saß.

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