An Bord des »Vaudreuil«
Magellan, September 1871.
Die Meerenge von Magellan ist ein wichtiger Weg für
Dampfschiffe geworden; aber ihre beiden düsteren Ufer tragen
nirgends noch Spuren von Zivilisation, und Matrosen, die
vorübergehend hier landen, genießen keinerlei Annehmlichkeit
in diesem ungastlichen Lande.
Fährt man vom Atlantischen Ozean aus in die engen Kanäle
ein, die Patagonien vom Feuerland trennen, so wirkt der
trostlose Anblick dieser Gegend vorerst überraschend. Der
erste Teil der Reise vollzieht sich zwischen zwei ungeheueren
Ebenen, die ganz nackt und bloß daliegen, besonders zu dieser
Jahreszeit, die der Winter des Südens ist. Überall übereistes
Moorland, dessen Eintönigkeit da und dort von weiten
Schneeflächen unterbrochen wird. Und es sind ergiebige
Jagdgebiete, die strichweise von den Patagoniern ausgebeutet
werden.
Nach und nach, je weiter man nach Süden zu gelangt, wandelt
sich das Antlitz der Landschaft zu andersartiger Traurigkeit.
Die Küsten steigen an und sind dicht und dunkel bewachsen.
Harzige Baumgruppen mit festen, fast schwarzen Blättern werden
immer zahlreicher und bilden schließlich ein
undurchdringliches Dickicht. Bald ist ringsum nur finsterer
Wald, über welchem sich schneebedeckte Gletschergipfel vom
finsteren Himmel abheben.
Dann weitet sich der Horizont, und eine Gegend von
packender Großartigkeit tut sich auf: ruhig verfolgt das
Schiff seine Bahn zwischen einem wahren Labyrinth von Bergen,
tiefen Buchten und grünen Inseln. Wolken, die dunkler sind als
die des französischen Himmels, schatten auf diese Landstriche
nieder, denen, Nebelschwaden ein ewig wechselndes Bild
verleihen.
Eine unförmige Ruine, die einzige Spur menschlichen Wirkens
an Patagoniens Küste, dient den vorbeifahrenden Schiffen als
Erkennungszeichen, und das ist alles, was heutigentages übrig
blieb von Port-Famine, das eine Art europäischer Niederlassung
hätte werden sollen, das aber lange schon verödet liegt und
übrigens niemals sonderlich anziehend war.
Ein wenig weiter südlich liegt Kap Froward, die äußerste
Spitze des amerikanischen Kontinents. An seinem Fuß, in der
großen Bucht von St. Nicolaus, warfen wir die Anker aus und
konnten, zum erstenmal nach langer Zeit, wieder Festland
betreten.
Ringsum völlig unberührter, noch unbegangener Boden von
ganz unglaublichem Waldgewirr bedeckt, dessen schönes Laub
halb von Schnee begraben war.
Doch verriet eine dünne Rauchwolke mitten in dieser
Einsamkeit die Gegenwart menschlicher Wesen, und wir
verfolgten ihre Spur.
Seltsame Wilde sind es, die die großen Südseeinseln
bewohnen, und deren Art gründlich verschieden ist von der der
indischen Völker. Es sind Ichthyophagen, die in jeder Hinsicht
auf der untersten Stufe menschlicher Entwicklungsfähigkeit
stehen und die von den Patagoniern bei gelegentlichem
Zusammentreffen wie schädliche Tiere geächtet werden.
Wir trafen sie um ihre Holzhütten versammelt, am Ufer eines
klaren Flusses, in entzückender Gegend. Leere Muschelschalen
und Überreste toter Fische zeugten dafür, daß die Gesellschaft
sich hier wohlbefunden und lange Rast gehalten hatte.
Die Leute hatten große Angst vor uns. Erst wollten sie
flüchten, dann baten sie uns um Nahrung. Und als wir Zwieback
unter sie verteilten, löste dies tolle Freude bei ihnen aus.
Die kleinen, armseligen Geschöpfe, die vor Kälte fast
erstarrt waren und deren Häßlichkeit die kühnste Einbildung
Lügen straft, wurden sofort zutraulich, ja selbst lustig.
Dennoch vertrauten wir ihnen nicht über eine gewisse Grenze
hinaus, und wir verließen sie bald. Zum Andenken nahmen wir
Messer aus Menschenknochen mit, die dazu dienen,
Muschelschalen zu öffnen, und die das einzige Erzeugnis ihrer
Industrie waren.