Almansor

Almansor

Heinrich Heine

siehe: Almansor von Heinrich Heine

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Almansor

Kapitel 4

Die Schloßtüre öffnet sich. Pedrillo erscheint mit einem Armleuchter; er bleibt in der Türe stehen.

Pedrillo:

Beim heiligen Pilatus! Ihr klopft stark;
Auch kommt Ihr spät zum Ball, er ist schon aus.

Almansor:

Ich suche keinen Ball, ich such ein Obdach;
Bin fremd und müd, und dunkel ist die Nacht.

Pedrillo:

Beim Barte des Propheten – ich wollt sagen
Der heiligen Eli – Elisabeth –
Das Schloß ist keine Herberg mehr. Unweit
Von hier steht so ein Ding, das nennt man Wirtshaus.

Almansor:

So wohnt allhier nicht mehr der gute Ali,
Wenn Gastlichkeit aus diesem Schloß verbannt ist.

Pedrillo:

Beim heil'gen Jago von – von Compostella!
Nehmt Euch in acht, denn Don Gonzalvo zürnt,
Wenn man ihn noch den guten Ali nennt.
Zuleima nur, Schlägt sich vor die Stirne. wollt sagen Donna Clara,
Darf noch den Namen Ali nennen. Ali,
Der irrt sich auch, und nennt sie oft Zuleima.
Auch ich, ich heiße jetzt nicht mehr Hamahmah,
Pedrillo heiß ich, wie in seiner Jugend
Der heil'ge Petrus hieß; und auch Habahbah,
Die alte Köchin, heißt jetzt Petronella,
Wie einst die Frau des heil'gen Petrus hieß;
Und was die alte Gastlichkeit betrifft,
So ist das eine jener Heidensitten,
Wovon dies christlich-fromme Haus gesäubert.
Gut Nacht! Ich muß jetzt leuchten unsern Gästen,
Es ist schon spät, und manche wohnen weit.

Er geht ins Schloß zurück und schlägt die Pforte zu. Im Schlosse wird es bewegter.

Almansor allein:

Kehr um, o Pilger, denn hier wohnt nicht mehr
Der gute Ali und die Gastlichkeit;
Kehr um, o Moslem, denn der alte Glaube
Ist ausgezogen längst aus diesem Hause;
Kehr um, Almansor, denn die alte Liebe
Hat man mit Hohn zur Tür hinausgestoßen,
Und laut verlacht ihr leises Todeswimmern.
Verändert sind die Namen und die Menschen;
Was ehmals Liebe hieß, heißt jetzo Haß. –
Doch hör ich schon die lieben Gäste kommen,
Und gar bescheiden geh ich aus dem Weg. Geht ab.

Das Schloßtor öffnet sich ganz; buntes Gewühl und verworrene Stimmen. Bediente mit Lichtern treten hervor.

Alis Stimme:

Nein, Señor, nein, das leid ich nimmermehr.

Eine andre Stimme:

Die Nacht ist ja recht schön und sternenhell.
Unweit von hier stehn unsre Pferd und Maultier,
Und weiche Sänften für die weichen Damen.

Eine dritte Stimme beschwichtigend:

Nur eine kleine Strecke ist's, Señora,
Und nicht zu groß für Euren kleinen Fuß.

Damen, Ritter, Fackelträger, Musikanten usw. kommen aus dem Schlosse. Jede Dame wird von einem Ritter geführt.

Erster Ritter:

Verstandet Ihr den leisen Wink, Señora?

Seine Dame lächelnd:

Ihr seid heut boshaft, boshaft, Don Antonio.

Gehn vorüber.

Eine andre Dame heftig:

Doch überladen war die Stickerei,
Und noch ein bißchen maurisch war der Schnitt.

Ihr Ritter mit verstelltem Ernste:

Jedoch was soll das arme Mädchen machen
Mit all den alten, reichen Maurenkleidern?

Die Dame:

Gibt's keine Maskenbälle, süßer Spötter?

Gehn vorüber.

Zwei Ritter gehn im Arm gefaßt.

Der erste:

Dem alten Herrn sah man den Ärger an,
Als ihm der Diener, mit gekreuzten Armen,
Des Bratens Unfall in der Angst berichtet.

Der zweite spöttisch:

Das war noch nichts. Er biß sich blau die Lippen,
Als Carlos laut den wilden Schweinskopf lobte,
Und scherzhaft drollig den Propheten schalt,
Der seinem Volk ein solch Gericht versagt hat.

Der erste gutmütig:

Aus lieber Dummheit tat's der alte Schlemmer,
Dem Wein und Bratenduft den Sinn umnebelt.

Der zweite mit schlauem Seitenblick:

Die Dummheit geht oft Hand in Hand mit Bosheit.

Gehn vorüber.

Zwei andre Ritter kommen sprechend.

Der eine Ritter sieht sich sorgsam um:

Wir waren wohl die einz'gen Maurenchristen,
Die Ali eingeladen, und als Carlos –

Der andre Ritter:

Versteh, Schmerz zuckte über Alis Antlitz,
Er sah uns forschend an – wem traut man jetzt?

Gehn langsam vorüber.

Musikanten, ihre Instrumente stimmend, gehen vorüber.

Ein junger Fiedler:

Gesprungen ist mir wieder eine Saite.

Der alte:

Ja, ja, im Kopfe springt dir sicher keine;
Die Saiten des Gehirns strengst du nicht an,
Und plagst mich immer mit den dümmsten Fragen.

Der junge Fiedler schmeichelnd:

Nur eins noch sag mir, dein Verstand ist ja
So fein, wie eines Fiedelbogens Härchen;
Und du bist ja der Klügste von uns allen,
Du stehst ja zwischen uns, so wie dein Brummbaß
Großmächtig stehet zwischen unsern Geigen –
Doch du bist auch so brummig wie dein Brummbaß –
O sag mir doch: warum denn Don Gonzalvo,
So hastig und so ängstlich auf uns einsprang,
Als wir den hübschen Maurentanz, den Zambrah,
Aufspielen wollten, und warum statt dessen
Hieß er den spanischen Fandango spielen?

Der alte mit selbstgefällig pfiffiger Miene:

He! he! das weiß ich wohl, doch sag ich's nicht;
Denn so was spielt schon in die Politik.

Sie gehn vorüber.

Man hört im Schlosse Don Enriques Stimme.

Don Enrique:

Ich hab genug an einem Fackelträger.
Mein Esel, der Diego, leuchtet mir;
Zärtlich: Und vor mir schweben immer, freundlich leitend,
Zwei Liebessternlein, Donna Claras Augen!

Verworrene Stimmen. Die Türe wird geschlossen. Don Enrique und Don Diego treten auf; letzterer in Bedientenkleidung und eine Fackel tragend.

Don Diego stolz:

Wir tauschen jetzt die Rollen, gnäd'ger Herr,
Und Ihr seid jetzt der Diener und – der Esel.

Don Enrique nimmt die Fackel:

Ich tat nach Kräften, Señor, seid nicht launisch.

Don Diego mit Grandezza:

Auf Ehre, Señor, ganz ein andrer schient Ihr,
Als ich zuerst Bekanntschaft mit Euch machte,
Im Zuchthaus zu Puente del Sahurro.

Don Enrique beschwichtigend:

Grollt nicht, ich bin Eur treuer Zögling, Señor.

Don Diego:

Mein Zögling muß, mit beßren Schmeichelein,
Sich reicher Damen Gunst erwerben können.
Was soll denn der Vergleich mit schmächt'gen Sternlein?
Mit Sonnen muß man so ein Lieb vergleichen!
Lernt nur auswendig besser unsre Dichter,
Und schmiert mit Öl geschmeidig Eure Zung,
Die Euch wie eingerostet lag im Munde,
Als Ihr so stumm an Claras Seite saßet.

Don Enrique schmachtend:

Ich sah entzückt auf ihr schneeweißes Händchen!

Don Diego auflachend:

Hätt Euch das Blitzen ihrer Demantringe
Das Aug geblendet, und die Zung gelähmt,
So ließ' ich gelten solch ein süß Verstummen.

Ironisch langsam:

Entzücken soll Euch freilich Claras Hand,
Wenn sie der alte Herr gefüllt mit – Gold.
Dann will ich mit Euch teilen Eur Entzücken,
Das klingend helle, goldene Entzücken!
Doch überlaß ich Euch allein die Freude
Am süßen Spiele ihrer weißen Finger,
An ihrer Muskeln sanftgeschwellter Weichheit,
Und an der Adern bläulichem Gewebe!

Don Enrique aufgeblasen:

Kein Spott! Ich freie zwar des Vaters Schätze,
Jedoch gesteh ich: Claras Schönheit rührt mich.

Don Diego:

Mistpfütze, hüte dich daß man dich rühre!
Kein Ambraduft steigt auf durch solche Rührung.
Lieb nicht nach innen, liebe nur nach außen.
Gefühle sind gar schlechte Liebeswerber;
Wort, Miene und Bewegung sind weit beßre.
Und dringen diese Werber noch nicht durch,
So helfen schön gefärbte Jünglingswangen,
Elastisch üpp'ge Waden aus Madrid,
Schnürleiber, hohe Polsterbrust und Kunstbauch,
Die Waffen aus dem Schneiderarsenal.
Und sind auch die zu stumpf, so helfen sicher
Die Mauerbrecher – Sieht ihn kaltlächelnd an. Señor, kennt Ihr noch
Die Dokumente, die ich ausgefertigt,
Mit alter Schrift und mit erloschner Dinte,
Die vorsätzlich im Schloß verlornen Briefe,
Die Don Gonzalvo fand, und draus ersah –
Lachend: Ja, Señor, mir, mir habt Ihr es zu danken
Daß Ihr ein Prinz geworden. – Seid jetzt folgsam;
Sprecht nur wie ich's Euch habe einstudiert;
Sprecht viel von Religion und von Moral;
Zeigt jene Wunden oft, die Euch im Zuchthaus
Der Büttel schlug, und nennt sie heil'ge Narben,
Die Ihr im Feldzug für die gute Sache
Erbeutet habt; sprecht viel von der Courage;
Vor allem aber kräuselt oft den Schnauzbart.

Don Enrique:

Ich beuge mich vor Eurer Klugheit, Señor.
Nur kann ich noch Eur Kunststück nicht begreifen,
Wie Ihr den Pfaffen ins Intresse zoget?

Don Diego:

Die Pfaffen sind ja auch vom Handwerk, Señor,
Und heil'ge Männer haben heil'ge Zwecke,
Und brauchen Gold für ihre Kirchenkelche,
Und brauchen Wein, um sie damit zu füllen.
Ihr merktet nicht daß ich die Volte schlug?
Ich gab Euch gute Karten, und da trumpft
Nun Euer Herz die Dame, und den König,
Den Alten, trumpft Ihr lustig mit dem Kreuz;
Und morgen ist das Spiel gewonnen, morgen,
Dann gratulier ich Euch zu Eurer Hochzeit.

Don Enrique andächtig gen Himmel schauend:

Ich danke dir, du Vater in der Höh!

Don Diego:
Ja, freilich in der Höh, denn luftig schwebt er
Am hohen Galgen, zu San Salvador.

Sie gehn ab.

Almansor tritt auf.

Almansor:

Die buntgeputzten Fledermäus und Eulen
Sind nun vorbeigeflirrt. Recht widerlich
Drang mir ins Ohr ihr heiser-harsches Schrillen,
Und atmen konnt ich kaum in ihrer Näh.
Zuleima, dich umschwärmt solch Nachtgevögel?
Dich, weiße Taub, umkreisen solche Raben?
Dich, schöne Ros, umkriechet solch Gewürm?
Hält denn ein Zauber dich umstrickt, Zuleima?
Ist denn das Bild des flehenden Almansors
In deiner Seele ganz und gar erloschen?
Kommt nie Erinnrung an Almansors Liebe
Aus deinem Busen seufzend aufgestiegen?

Dort oben wallen tausend Liebesboten,
Und jedem gab ich tausend Liebesgrüße,
Und schmerzlich süß entfloß mein glühend Blut,
Bei jedem Gruß, aus tausend Liebeswunden;
Und dennoch brachte keiner dieser Boten
Der Heißgeliebten meine heißen Grüße!
Schämt euch, untreue Boten, Sterne oben,
Die ihr so klug und pfiffig niederblinzelt,
Und euch als Menschenschicksallenker brüstet!
Ihr konntet nicht bestellen meine Grüße –
Und blöde Tauben tragen, treu und sicher,
Den Liebesbrief des Hirten in der Wüste! –

Das Schloßgesinde ist zu Bett gegangen,
Bedächtig sind die Lichter ausgelöscht,
Und nur ein einz'ges noch strahlt dort durchs Fenster.
Ich kenn dies Fenster noch; dort schläft Zuleima.
Dort stand ich manche schöne Sommernacht,
Und ließ die Laute klingen, bis die Liebste,
Mit süßem Wort, auf dem Balkon erschien.

Er zieht eine Laute hervor.

Hier ist die alte Laute. Klingend schwebt mir
Im Kopf das alte Lied; und sehen möcht ich,
Ob auch der alte Zauberklang noch wirkt.

Er spielt und singt:

Güldne Sternlein schauen nieder,
Mit der Liebe Sehnsuchtwehe;
Bunte Blümlein nicken wieder,
Schauen schmachtend in die Höhe.

Zärtlich blickt der Mond herunter,
Spiegelt sich in Bächleins Fluten,
Und vor Liebe taucht er unter,
Kühlt im Wasser seine Gluten.

Wollustatmend, in der Schwüle,
Schnäbeln weiße Turteltäubchen;
Flimmernd, wie zum Liebesspiele,
Fliegt der Glühwurm nach dem Weibchen.

Lüftlein schauern wundersüße,
Ziehen feiernd durch die Bäume,
Werfen Kuß und Liebesgrüße
Nach den Schatten weicher Träume.

Blümlein hüpfet, Bächlein springet,
Sternlein kommt herabgeschossen,
Alles wacht und lacht und singet –
Liebe hat ihr Reich erschlossen.

Zuleimas Stimme im Schloß:

Ist es ein Traum, der freundlich mich umgaukelt,
Und liebe Töne in mein Ohr zurückruft?
Ist es ein Unhold, der mich zu verlocken,
Des Freundes süße Stimme künstlich nachäfft?
Ist's gar der tote, irrende Almansor,
Der in der Nacht gespenstisch mich umschleicht?

Almansor:

Es ist kein Traum, der täuschend dich umgaukelt,
Es ist kein Unhold, der dich will verlocken,
Auch ist's kein toter, irrender Almansor –
Es ist Almansor selbst, der Sohn Abdullahs.
Er ist zurückgekehrt, und trägt noch immer
Lebend'ge Liebe im lebend'gen Herzen.

 

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