Al-Mizan - Auslegung des
Qur’an
Weitere Überlieferungen
Im Man lā yaḥḍuruh-ul-Faqīh
und im at-Tafsīr von al-´Ayyāschī wird berichtet, dass
Imam aṣ-Ṣādiq
(a.) gesagt hat: „Der gerade Weg ist (der Befehlshaber
der Gläubigen) Amīr-al-mu´minīn (a.).“
Imam aṣ-Ṣādiq
(a.) sagte des Weiteren: „Der gerade Weg ist der Weg
zum Wissen Allahs. Und es gibt zwei Wege, einer davon ist in
dieser Welt und der andere ist in der jenseitigen Welt. Was
den Weg in dieser Welt betrifft, so handelt es sich dabei um
den Imām und der Gehorsam ihm gegenüber ist verpflichtend. Wer
auch immer in dieser Welt zur Erkenntnis seines Imāms gelangt
und seiner Führung folgt, der wird sich in der nächsten Welt
auf jenem Pfad befinden, der die Brücke ist, die über das
Höllenfeuer führt. Aber wer auch immer ihn (den Imām) in
dieser Welt nicht kennt, sein Fuß wird ausrutschen auf jener
Brücke in der nächsten Welt und er wird hinunterfallen in das
Feuer der Hölle“ (Ma´āni l´Achbār).
Dasselbe Buch zitiert auch Imam
as-Sadschād (a.), der sagte: „Es gibt keinen Schleier
zwischen Allah und Seinem Beweis, noch besteht irgendeine Art
der Abschirmung oder Filter zwischen Allah und Seinem Beweis.
Wir sind die Tore von Allah, und wir sind der gerade Weg, und
wir sind die Schatztruhe Seines Wissens, und wir sind die
Interpreten Seiner Offenbarung und wir sind die Stützen Seiner
Einheit und wir sind der Ort Seines Geheimnisses.“
Ibn Schahraschūb zitiert aus dem
at-Tafsīr von Wakī´ibn al-Dscharrāh von ath-Thawrī
von as-Suddi von Asbāṭ
und Mudschāhid von Ibn `Abbās, dass er über
folgenden Vers, gesagt hat: „Führe uns auf den geraden Weg:
Sprich oh ihr Gruppe von Allahs Dienern: Führe uns zu der
Liebe von Muḥammad
(s.) und den Mitgliedern seiner Familie.“
Der Autor sagt: Es gibt noch zahlreiche
weitere Überlieferungen mit gleicher Bedeutung. Solche
Überlieferungen basieren auf dem “Fluss“ des Heiligen Qur´ans;
d.h.: die Anwendbarkeit allgemeiner Begriffe des Qur´ans auf
bestimmte Beispiele und Situationen, wann und wo auch immer
dies möglich ist. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass
jener “Fluss“ – und dieses Konzept wird noch des Öfteren in
vorliegendem Buch vorkommen – aus der Sprache der Ahl-ul-Bait
(a.) entnommen wurde und u.a. in folgender Überlieferung
vorkommt:
Al-Fuḍayl
ibn Yasār sagte: „Ich fragte Abū Dscha´far
(a.) bezüglich der Überlieferung: `Es gibt keinen Vers im
Qur´an, ohne dass er ein Äußeres und ein Inneres besitzen
würde, und es gibt kein Wort darin, ohne dass es eine Grenze
hätte und jede Grenze hat einen bestimmten Ort der
Überwachung.´ Ich fragte ihn, was die Bedeutung von dem
Äußeren und Inneren des Qur´ans sei. Der Imam sagte: `Sein
Äußeres ist die Offenbarung und sein Inneres ist seine
Interpretation; manches davon ist bereits geschehen und
manches davon ist noch nicht in Erscheinung getreten; es ist
im Fluss, sowie der Lauf der Sonne und des Mondes; wenn etwas
den dafür bestimmten Ort und die dafür bestimmte Zeit erreicht
hat, dann tritt es in Erscheinung und geschieht´“ (at-Tafsīr
von `Ayyāschī).
Das gleiche Thema findet sich auch in
anderen Überlieferungen wieder. So gehört es demnach zum
Grundsatz der Imame der Ahl-ul-Bait (a.), dass sie
einen Vers des Heiligen Qur´ans auf alle Beispiele anwendeten,
auf welche dieser möglicherweise angewandt werden kann. Dieser
Grundsatz ist richtig und im Einklang mit der Vernunft, denn
der Qur´an wurde offenbart als eine “Rechtleitung für die
Welten“. Er führt die Menschheit zum richtigen Glauben, zu
einer richtigen Ethik und zu richtigen Handlungen. Bei den
Angelegenheiten des Glaubens, die der Qur´an erläutert hat,
handelt es sich um eine ewige Wahrheit und nicht um etwas, das
nur auf eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort
beschränkt wäre. Denn die Tugenden und Laster und die
dementsprechend aufgestellten Regeln und Gebote sind nicht nur
auf eine bestimmte Person oder eine bestimmte Epoche begrenzt
– sie sind allgemein anwendbar für alle Personen und alle
Zeiten. Jene Überlieferungen, die die Hintergründe der
Offenbarung eines bestimmten Verses erläutern – also wann, wo
und in Bezug auf wen der jeweilige Vers offenbart worden war –
haben keinen wesentlichen Einfluss auf dessen generelle
Bedeutung. Ein Gebot ist nicht nur auf eine bestimmte Person
oder ein bestimmtes Ereignis beschränkt, denn sonst würde es
unter anderen, aber ähnlichen Umständen seine Gültigkeit
verlieren und es würde untergehen mit dem Tod jener Person, in
Bezug auf derer ein Vers ursprünglich offenbart wurde.
Die Qur´anischen Aussagen sind in den
meisten Fällen sehr allgemein gehalten. Wenn bestimmte
Persönlichkeiten darin gepriesen oder gelobt werden und andere
im Gegenzug verdammt werden, so wird dies aufgrund guter oder
schlechter Eigenschaften in deren Charakter getan. Und wo auch
immer jene guten oder schlechten Eigenschaften zu finden sind,
auch in Personen späterer Generationen, so kann der
entsprechende Vers dann auch in all seiner Wahrheit auf die
entsprechenden Personen angewendet werden. Der Qur´an bringt
dafür Beweise vor und es spricht Allah: „Damit leitet Allah
jene, die Sein Wohlgefallen suchen, auf die Wege des
Friedens...“ (5:16); „...und wahrlich, es ist ein ehrwürdiges
Buch. Falschheit kann nicht an es herankommen, weder von
vorne, noch von hinten...“ (41:41-42); „Wahrlich, wir selbst
haben diese Ermahnung herabgesandt und sicherlich werden wir
ihr Hüter sein“ (15:9).
Es gibt zahlreiche, womöglich sogar in
die Hunderte gehende, Überlieferungen, die verschiedene
Qur´an-Verse auf die Imame oder auf deren Feinde beziehen.
Diese werden die Überlieferungen des “Flusses“ genannt. Aber
nachdem nun dieses generelle Prinzip erläutert wurde, werden
jene Überlieferungen in diesem Buch nicht mit einbezogen
werden – außer an jenen Stellen, an denen es unumgänglich für
die Erklärung eines Verses erscheint oder zur vernünftigen
Beweisführung als notwendig erachtet wird.