Al-Mizan - Auslegung des
Qur’an
Über die Methode dieses Buches
In diesem Vorwort wollen wir jene Methode
beschreiben, die in vorliegendem Werk angewandt wurde, um die
Bedeutung der Verse des Qur´ans zu ergründen.
At-Tafsīr (= Exegese, Interpretation,
Auslegung), d. h. die Erklärung der Bedeutung qur´anischer
Verse und die Erläuterung ihrer Herkunft und Signifikanz, ist
eine der ältesten akademischen Tätigkeiten im Islam. Wie es
aus Allahs Worten deutlich hervorgeht, begann die
Interpretation des Heiligen Qur´ans bereits mit dessen
Offenbarung:
„Sowie Wir unter euch einen Gesandten
aus eurer Mitte erstehen ließen, der euch Unsere Verse
verliest und euch läutert und euch das Buch und die Weisheit
lehrt und euch lehrt, was ihr nicht wusstet“ (2:151).
Die ersten Exegeten waren einige der
Gefährten des Propheten, wie Ibn ´Abbās, ´Abdullāh ibn
´Umar, Ubayy ibn Ka’b und andere (wenn wir an dieser
Stelle den Begriff der “Gefährten“ verwenden, so sind damit
Andere als ´Ali (a.) gemeint. Denn er und die Imame aus seiner
Nachkommenschaft sind durch einen unvergleichlichen Status
ausgezeichnet, worauf wir an anderer Stelle noch näher
eingehen werden). Exegese in diesen Tagen war beschränkt auf
die Erläuterung der literarischen und linguistischen Aspekte
der Verse, auf den Hintergrund ihrer Offenbarung und
gelegentlich auch auf die Interpretation eines Verses durch
die Hilfe eines anderen Verses. Falls es sich in dem Vers um
die Beschreibung eines historischen Ereignisses handelte oder
darin Angelegenheiten der Schöpfung (Genesis) oder
Wiederauferstehung behandelt wurden, dann wurden oftmals auch
einige Überlieferungen des Propheten angeführt, um deren
Bedeutung klarer zu machen.
Diesen Stil der Exegese wandten auch die
Schüler der Gefährten an, wie etwa Mudschāhid, Qatādah, Ibn
Abī Laylā, asch-Scha’bī, as-Suddī und andere, die in den
ersten zwei Jahrhunderten nach der Hidschra
lebten. Sie verließen sich dabei noch wesentlich stärker auf
Überlieferungen des Propheten (s.) (arab.: Hadīth=
Mitteilung, Erzählung, Bericht), darunter allerdings auch
solche die gefälscht und für bestimmte Zwecke angepasst worden
waren von Juden und anderen. Sie zitierten diese
Überlieferungen vor allem, um Verse zu erklären, die die
Geschichten vorangegangener Nationen beinhalteten oder die
über die Schöpfung sprachen; so beispielsweise Verse über die
Schöpfung der Himmeln und der Erde, über die Entstehung der
Flüsse und Berge, über “Iram“ – die Stadt des Stammes
von `Ad, über Schaddad
und über die sogenannten „Fehler“ der Propheten, über die
Verfälschungen der heiligen Bücher und ähnliche Dinge. Viele
dieser Themen finden sich bereits in jenen frühen Exegesen,
die den Gefährten selbst zugeschrieben werden.
Während der Herrschaft der Kalifen, jener
der Zeit, als die Nachbarländer der arabischen Halbinsel
erobert wurden, gelangten die Muslime in Kontakt mit den
besiegten Völkern und wurden bald in religiöse Diskussionen
mit den Gelehrten unterschiedlichster Religionen und
religiöser Sekten involviert. Diese intellektuellen
Auseinandersetzungen führten zum Aufstieg der theologischen
Diskurse und der Wissenschaft der Theologie, die im Islam als
“´Ilmu`l-kalām“ bekannt wurde. Im Zuge dessen wurde
auch die griechische Philosophie in die arabische Sprache
übersetzt. Dieser Prozess begann bereits gegen Ende des ersten
Jahrhunderts nach der Hidschra (in der Regierungszeit
der Umayyaden), setzte sich fort bis ins dritte Jahrhundert
(Regierungszeit der Abbasiden) und weckte den Geschmack für
intellektuelle und philosophische Argumentation unter der
muslimischen Intelligenzija.
Zur gleichen Zeit erhob auch at-Taṣawwuf
(= Sufismus, Mystik) sein Haupt in der Gesellschaft und
übte bald eine starke Anziehungskraft auf die Menschen aus,
denn es versprach ihnen die verborgenen Realitäten der
Religion zu offenbaren – und zwar durch strenge
Selbstdisziplin und asketische Praktiken – anstatt sie in
verbale Polemiken und intellektuelle Argumentation zu
verwickeln.
Und dann tauchte plötzlich auch eine
Gruppe auf, die sich selbst als “die Leute der Tradition“
bezeichneten und die daran glaubten, dass die Erlösung allein
davon abhing, an den äußeren, manifesten Bedeutungen des
Qur´an und der Überlieferungen und Traditionen des Propheten
festzuhalten, ohne dass dabei akademische Forschungen
irgendeine Rolle spielen sollte. Höchstens wurde es dabei als
legitim angesehen, den literarischen und linguistischen Wert
von Worten Beachtung zu schenken.
So hatte sich die muslimische
Gesellschaft, noch bevor das zweite Jahrhundert nach der
Hidschra weit vorangeschritten war, bereits grob genommen
in vier unterschiedliche Gruppen geteilt: Die Theologen, die
Philosophen, die Sufis und die Leute der Tradition. Das führte
zu einem intellektuellen Chaos in der islamischen Umma
und die Muslime waren dabei ihre Geduld zu verlieren.
Der einzige kleinste gemeinsame Nenner,
an dem alle gleichermaßen festhielten und dem sich alle
verschrieben hatten waren die Worte: „Es gibt keinen Gott
außer Gott (Allah) und Muhammad (s.) ist ein Gesandter
Allahs.“ In beinahe allen anderen Dingen gingen ihre
Meinungen auseinander. So gab es Streit über die Bedeutung der
Namen und Attribute von Allah, sowie über Seine Handlungen; es
gab Konflikte über die Realität der Himmeln und der Erde und
was sich in und auf ihnen befinde; es gab Kontroversen über
den Willen und über die Bestimmung Allahs sowie über die
göttlichen Grenzen und die göttliche Gerechtigkeit; die
Meinungen darüber ob der Mensch ein hilfloses Werkzeug in den
Händen Gottes sei oder über Handlungsfreiheit verfüge gingen
weit auseinander; es gab heftige Dispute über die
verschiedenen Aspekte von Belohnung und Bestrafung; Argumente
wurden wie Tennisbälle hin und her geschleudert, bezüglich der
Realitäten des Todes, des al-Barzach (die
Todeszwischenphase, eine Übergangsperiode zwischen dem
individuellen Tod und dem Tag der Wiederauferstehung), der
Wiederauferstehung selbst und der Interpretation von Paradies
und Hölle. Kurz gesagt, es gab nicht ein einziges Thema,
welches nur irgendeine Relevanz für die Religion aufgewiesen
hätte, über das keine Uneinigkeit der einen oder anderen Art
geherrscht hätte. Und diese Divergenz fand ihren Ausdruck,
nicht wider Erwarten, auch in den unterschiedlichen Exegesen
des Qur´ans. Denn jede Gruppe war bemüht ihre Sichtweisen und
Meinungen mit Hilfe des Qur´ans zu untermauern; und die
Exegesen sollten diesem Zweck dienen.
So deuteten die Leute der Tradition den
Qur´an mit Hilfe jener Überlieferungen, die den Gefährten und
deren Schülern zugeschrieben wurden. So konnten sie mit ihrer
Arbeit fortfahren, solange ihnen entsprechende
Überlieferungen, von denen sie sich leiten ließen, bekannt
waren, doch sie stießen dort an ihre Grenzen, wo sie keiner
passenden Tradition fündig werden konnten (vorausgesetzt die
Bedeutung der Verse war nicht selbsterklärend und
offensichtlich). Sie dachten, dies sei die einzig gesicherte
Methode mit Hilfe derer, der Qur´an interpretiert werden
dürfte, denn Allah sagte: „...Diejenigen aber, die ein tief
begründetes Wissen haben, sagen: `Wir glauben wahrlich daran.
Alles ist von unserem Herrn´...“ (3:7).
Aber sie irrten sich. Allah sagte
nirgendwo in Seinem Buch, dass rationaler Beweis keine
Gültigkeit besitzen würde. Wie hätte Er auch so etwas
behaupten können, wenn die Authentizität des Buches selbst auf
rationalem Beweis fußte und davon abhängig war? Andererseits,
hatte Er an keiner Stelle erwähnt, dass die Worte und Aussagen
der Gefährten und deren Schülern irgendeinen Wert als
religiöse Beweismittel darstellten. Wie hätte er auch so etwas
sagen können, angesichts der haarsträubenden Diskrepanzen in
deren Meinungen? Kurz gesagt, Allah hat uns nicht dazu
aufgefordert, uns in blindem Gehorsam gegenüber Meinungen und
Sichtweisen zu üben, die in sich zutiefst widersprüchlich
sind. Stattdessen hat er uns dazu aufgefordert, über die
qur´anischen Verse tief zu meditieren und zu reflektieren, bis
sich jede Form der scheinbaren Widersprüchlichkeit auflöst.
Allah hat den Qur´an als eine Rechtleitung und Führung
offenbart und zu einem Licht und zu einer Erklärung aller
Dinge gemacht. Warum also sollte ein Licht seine Helligkeit
vom Lichte Anderer suchen müssen? Und warum sollte eine
Rechtleitung von der Rechtleitung Anderer abhängig sein? Wieso
sollte “eine Erklärung aller Dinge“ erklärt werden müssen
durch die Worte von Anderen?
Das Schicksal der Theologen war aber bei
weitem noch schlimmer, als das der Leute der Tradition. Denn
sie hatten sich in tausende von Sekten aufgespalten und jede
Gruppe hielt nur an jenen Versen fest, die ihren eigenen
Glauben zu unterstützen schienen und versuchte im Gegenzug all
das, was ihre Meinungen offensichtlich entkräften konnte, zu
ignorieren oder wegzuerklären. Der Samen der sektiererischen
Differenzen wurde durch jene akademischen Theorien gesät, aber
wurzelte noch mehr als dort im blinden Gehorsam und im
Nährboden nationaler und tribaler Vorurteile. Hier ist
allerdings nicht genügend Platz, um all dies auch nur in
kürzester Form zu beschreiben.
Wie dem auch sei, solche Arten der
Exegese wie sie Theologen und die Vertreter akademischer
Theorien praktizierten, sollten eher als “Adaptionen“
bezeichnet werden, statt als Exegese und Erläuterung, denn sie
dienten nur dem Zwecke der Anpassung an bestimmte eigene
Meinungen und nicht der Erklärung.
So gibt es zwei Arten, einen Vers zu
deuten: Der eine mag fragen: „Was sagt der Qur´an?“ und der
andere mag fragen: „Wie kann dieser Vers so erklärt werden,
dass er meinen eigenen Vorstellungen entspricht und meinen
Glauben unterstützt?“ Der Unterschied zwischen diesen beiden
Ansätzen ist wohl offensichtlich. Der Erstere vergisst alle
vorgefertigten Ideen und folgt dorthin, wohin ihn der Qur´an
führt. Der Letztere hat sich bereits entschieden, woran er
glauben will und stutzt sich einen jeden Qur´anischen Vers
dementsprechend zurecht – so eine Art der Exegese ist dann
allerdings überhaupt keine Exegese.
Auch die Philosophen litten unter dem
gleichen Syndrom. Sie versuchten die Qur´anischen Verse
entsprechend den Prinzipien der griechischen Philosophie (die
sich wiederum in vier Zweige teilte: die Mathematik, die
Naturwissenschaft, die Metaphysik und die praktischen Fächer)
anzupassen. Falls ein Vers diesen Prinzipien klar
widersprechen sollte, war man bemüht diesen zu entkräften.
Auf diesem Wege wurden diejenigen Verse,
die metaphysische Themen beschrieben, wie etwa die Genesis und
die Schöpfung der Himmeln und der Erde, das Leben nach dem
Tod, die Wiederauferstehung oder Paradies und Hölle, gänzlich
verzerrt, um sie mit der entsprechenden Philosophie kompatibel
zu machen – obwohl diese Philosophie jedoch zugegebenermaßen
auch nicht mehr darstellte, als eine Ansammlung von Annahmen
und Hypothesen, die nicht durch Tests oder Beweise bestätigt
oder gesichert worden waren. Aber die islamischen Philosophen
empfanden keinerlei Unbehagen dabei, die Sichtweisen dieses
Systems hinsichtlich der Himmelskonstellationen, der
Umlaufbahnen, der Naturelemente und anderer Themen als
absolute und gesicherte Wahrheiten zu behandeln, denen sich
die Exegese des Qur´an dann anzupassen und unterzuordnen
hatte.
Die Sufis hingegen fixierten sich auf die
esoterischen, inneren Aspekte der Schöpfung. Sie waren zu
beschäftigt mit ihrer inneren Welt, um die äußere Welt zu
betrachten. Ihr rein nach innen gerichteter Tunnelblick hielt
sie davon ab, die Dinge in ihrer wahren Perspektive zu sehen.
Ihre Liebe zu dem Esoterischen brachte sie dazu, in allen
Versen nach inneren, versteckten Botschaften zu suchen, ohne
dabei auch die äußeren, klaren und manifesten Bedeutungsebenen
zu beachten.
Diese Zugangsweise ermutigte die Menschen
ihre Erklärungen und Deutungen der Verse in poetischer Art und
Weise auszudrücken und verleitete sie dazu Irgendetwas zu
verwenden um Irgendetwas zu erklären. Dieser Zustand erreichte
teilweise ein solches Extrem, dass Verse nur mehr aufgrund des
numerischen Wertes der enthaltenen Wörter interpretiert
wurden. Buchstaben wurden unterschieden in hell und dunkel und
die gesamte Erläuterung basierte dann gänzlich auf dieser
Unterteilung. Handelt es sich hierbei nicht um den Bau von
Luftschlössern? Der Qur´an wurde sicherlich nicht gesandt, um
alleine die Sufis zu leiten; er war auch nicht nur an jene
adressiert worden, die sich mit den numerischen Werten von
Buchstaben (und mit all den inhärenten Irrtümern dieser
Technik) auskannten; noch basierten die Realitäten dieses
Buches auf astrologischen Kalkulationen.
Natürlich gibt es Überlieferungen vom
Propheten (s.) und von den Imamen der Ahl-ul-Bait
(a.), die beispielsweise folgendes besagen:
„Wahrlich der Qur´an hat äußere Aspekte und innere Aspekte;
und die Inneren besitzen wiederum innere Aspekte bis hin zu
sieben Schichten (oder nach anderen Versionen dieser
Überlieferung: bis hin zu siebzig Schichten)...“
Aber der Prophet (s.) und die Imame (a.) maßen den äußeren und
inneren Aspekten eine ausgewogene Bedeutung zu; sie
beschäftigten sich gleichermaßen mit ihrer Offenbarung, wie
mit ihrer Interpretation.
Wir werden zu Beginn der dritten Sure
des Qur´an “Die Familie von Imran“ noch genauer erläutern,
wieso “Interpretation“ nicht eine Bedeutung entgegen dem
manifesten Gehalt eines Verses meinen kann, denn solch eine
Interpretation sollte korrekterweise als “Missinterpretation“
bezeichnet werden. Solch eine Bedeutung des Begriffes
“Interpretation“ kam in islamischen Kreisen erst lange nach
der Offenbarung des Qur´an und der Verbreitung des Islam in
Mode und ist etwas ganz anderes als die Exegese – die
Erläuterung der Bedeutungen und Signifikanz eines Verses.
In der Gegenwart, kam noch eine neue
Methode der Exegese in Mode. Einige Leute, scheinbar Muslime,
die stark von den modernen Naturwissenschaften (die auf der
Methode der Beobachtung und empirischen Tests basieren) und
Sozialwissenschaften (die auf der Methode der Induktion
beruhen) beeinflusst worden waren, folgten den Materialisten
Europas oder den Pragmatikern. Unter dem Einfluss dieser
anti-islamischen Theorien erklärten sie, dass die Realitäten
der Religionen niemals entgegen den Erkenntnissen dieser
modernen Wissenschaften stehen könnten; niemand sollte an
etwas glauben, dass sich außerhalb, des Erkenntnisbereiches
jener Wissenschaften befinde und das nicht durch die fünf
Sinne wahrgenommen werden kann – außer der Materie und ihre
Eigenschaften existiere nichts. Das, was die Religion als
existent bezeichnet, die Wissenschaften aber ablehnen (wie
beispielsweise die im Qur´an erwähnten göttlichen Zeichen des
Throns, der Tafel oder des Schreibrohres), sollte so
interpretiert werden, dass es mit den modernen Wissenschaften
konform geht. Was diejenigen Dinge anbelangt, über die die
Wissenschaft schweigt, wie die Wiederauferstehung usw. so
sollten diese innerhalb der bekannten Gesetzte der Materie
interpretiert werden. Die Säulen, auf denen die religiösen
Gesetze ruhen, wie die Offenbarung, die Engel, Satan, das
Prophetentum, die Gesandtschaft, das Imamat etc. sind
demnach nur spirituelle und geistige Dinge, und der Geist ist
nur eine Entwicklung der Materie, oder besser gesagt, nur eine
Eigenschaft der Materie. Die Festlegung jener Gesetze ist die
Manifestation eines bestimmten sozialen Genius, der diese erst
nach gesunder und reiflicher Überlegung festgesetzt hat zum
Zweck eine gute und fortschrittliche Gesellschaft zu
errichten.
Des Weiteren sagen sie: Man kann den
alten Traditionen nicht trauen, denn viele von ihnen sind
gefälscht; man kann sich nur auf diejenigen Traditionen
verlassen, die mit dem Buch im Einklang sind. Was aber das
Buch selbst betrifft, so sollte man sich nicht bemühen es im
Lichte der alten Philosophien und Theorien zu erklären, denn
diese basierten nicht auf wissenschaftlicher Beobachtung und
empirischen Tests, sondern stellten nur eine Art mentale
Aufwärmübung dar, die heutzutage von den modernen
Wissenschaften vollkommen überholt und diskreditiert wurde.
Die beste und eigentlich die einzig zulässige Methode ist es
demnach den Qur´an durch die Hilfe anderer Qur´an-Verse zu
erklären – außer dort wo die Wissenschaft etwas Wichtiges zur
Erläuterung beizutragen hat.
Das ist in Kürze das, was sie geschrieben
haben oder das, was notwendigerweise aus ihrem blinden
Vertrauen auf empirische Tests und systematischen
Beobachtungen folgt.
Wir wollen uns hier nun nicht weiter mit
der Frage beschäftigen, ob ihre wissenschaftlichen Prinzipien
und ihre philosophischen Aussagen als Basis einer Exegese des
Qur´ans akzeptabel sind. Aber es sollte dennoch darauf
hingewiesen werden, dass der Einspruch, den sie gegen die
alten Exegeten vorbrachten – dass deren Auslegung nur eine
Anpassung und keine Erklärung gewesen sei – auch in Bezug auf
ihre eigene Methode angewandt werden kann. Denn auch sie
behaupten, dass der Qur´an und seine Realitäten an die
wissenschaftlichen Theorien angepasst werden muss. Wenn dies
nicht der Realität entsprechen würde, wieso beharren sie dann
so sehr darauf, dass ihre akademischen Theorien als die wahre
Basis einer Exegese gesehen werden müssen, von denen keine
Abweichung erlaubt wird? Diese Methode verbessert die
diskreditierten Methoden ihrer Vorgänger in keinster Weise.
Wenn wir nun all die oben beschriebenen
Arten der Exegese betrachten, so werden wir sehen, dass alle
von ihnen einen gravierenden Fehler aufweisen: Sie versuchen
der Bedeutung der qur´anischen Verse die Ergebnisse ihrer
wissenschaftlichen oder philosophischen Diskussionen
aufzuzwingen und so den Qur´an mit fremden, von außen
herangetragenen Ideen überein zu stimmen. Auf diese Art und
Weise werden aus Erklärungen nichts weiter als
Anpassungen/Angleichungen, Realitäten des Qur´an werden als
bloße Allegorien abgetan und die augenscheinliche manifeste
Bedeutung eines Verses fällt ihren so genannten
“Interpretationen“ zum Opfer.
Wie bereits zu Beginn erwähnt wurde,
stellt sich der Qur´an selbst als „eine Leitung für die
Welten“ (3:96); „ein klares Licht“ (4:174) und als
„Erklärung aller Dinge“ (16:89) vor. Aber gänzlich im
Widerspruch zu diesen deutlichen Aussagen des Qur´an selbst,
halten diese Leute daran fest, dass der Qur´an von außen
stehenden Faktoren geleitet, von fremden Theorien beleuchtet
und durch etwas Anderes, als durch den Qur´an selbst, erklärt
werden soll! Wer oder was ist nun aber dieses “etwas Anderes“?
Welche Autorität besitzt es? Und falls es Unterschiede
zwischen den verschiedenen Auslegungen eines Verses gibt – und
die Unterschiede sind in der Tat gravierend – auf welchen
Mittler soll der Qur´an dann verweisen?
Worin besteht nun die Grundursache der
unterschiedlichen Auslegungen des heiligen Qur´an? Diese kann
jedenfalls nicht in den unterschiedlichen Bedeutungen eines
Wortes, einer Phrase oder eines Satzes begründet liegen. Denn
der Qur´an wurde in einem deutlichen Arabisch herabgesandt,
und kein Araber (oder Nicht-Araber, der über ausreichend
Arabischkenntnisse verfügt) wird sich damit schwer tun, es zu
verstehen. Außerdem gibt es nicht einen einzigen Vers im
Qur´an (von mehr als 6000), dessen Bedeutung rätselhaft,
verworren oder unverständlich wäre, noch gibt es einen
einzigen Satz, der den Verstand herumirren lässt auf der Suche
nach dessen Sinnhaftigkeit.
Schließlich gilt der Qur´an selbst
anerkanntermaßen als das eloquenteste und wortgewandteste
Beispiel der Redekunst und zu den grundlegendsten
Bestandteilen von Eloquenz zählt die Freiheit von jeglicher
Verworrenheit und Undeutlichkeit.
Selbst jene Verse, die zu den so
genannten “mehrdeutigen Versen“ zählen, sind nicht mehrdeutig
oder zwiespältig in Bezug auf ihre sprachliche Bedeutung.
Worin jene Mehrdeutigkeit nun auch bestehen mag, so handelt es
sich dabei um die Identifizierung eines bestimmten Elements
oder einer Person aus der betreffenden Gruppe, auf die sich
die Bedeutung bezieht. Aber diese Aussage bedarf wohl weiterer
Ausführungen.
In diesem Leben sind wir umgeben von
Materie. Selbst unsere Sinnesfakultäten stehen in enger
Abhängigkeit zu ihr. Diese Nähe und Vertrautheit mit
materiellen Dingen hat unsere Art und Weise zu denken stark
geprägt. Wenn wir ein Wort oder einen Satz hören, so beeilt
sich unser Verstand sofort deren materielle Bedeutung
wahrzunehmen. Wenn wir beispielsweise Begriffe hören wie:
Leben, Wissen, Macht, Hören, Sehen, Rede, Willen, Genuss, Wut,
Schöpfung und Ordnung, dann denken wir sogleich an materielle
Manifestationen ihrer Bedeutungen. Ebenso verhält es sich,
wenn wir Begriffe vernehmen wie Himmel, Erde, Tafel, Stift,
Thron, Engel und Flügel, Satan und seine Völker und Armeen.
Das erste, was uns in den Sinn kommen wird, sind deren
materielle Manifestationen.
Gleichermaßen ist es auch, wenn wir Sätze
hören wie „Allah hat das Universum geschaffen“, „Allah hat das
getan“, „Allah wusste dies“, „Allah beabsichtigte das“ oder
„beabsichtigt es“; Wir betrachten diese Handlungen immer im
Rahmen von “Zeit“, denn wir sind es gewohnt jedes Verb mit
einem zeitlichen Ablauf zu verbinden.
Und so verhält es sich dann auch, wenn
wir folgende Verse hören: „...und bei Uns ist noch weit
mehr...“ (50:35); „...so hätten wir dies von Uns aus
vorgenommen...“ (21:17); „...was bei Allah ist, das ist besser
...“ (62:11); „...und zu Ihm werdet ihr zurückgebracht werden“
(2:28) usw.. Wir verbinden mit der göttlichen Präsenz
automatisch das Konzept von “Raum“ und “Örtlichkeit“, denn in
unserem Denken sind diese beiden Ideen untrennbar miteinander
verbunden.
Ebenso, wenn wir die Verse lesen: „Und
wenn wir eine Stadt zu zerstören beabsichtigen“ (17:16);
„...und wenn wir beabsichtigen eine Huld zu erweisen...“
(28:5) „...und Allah beabsichtigt Erleichterung für euch“
(2:185), dann nehmen wir zumeist an, dass “Absicht“ die
gleiche Bedeutung in jedem dieser Sätze tragen würde, denn wir
denken dabei an unsere eigene “Absicht“ und unseren Willen.
Auf diese Art und Weise springen unsere
Gedanken automatisch zu der vertrautesten Bedeutung eines
Wortes (wobei es sich dabei meist um die materielle Bedeutung
handelt). Das ist nur natürlich. Der Mensch hat Worte
geschaffen, um sein soziales Bedürfnis des gegenseitigen
Austausches zu erfüllen und die Gesellschaft wurde errichtet,
um die materiellen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen. So
wurden die Worte, nicht unerwarteter Weise, zu Symbolen für
jene Dinge, mit denen die Menschen im Alltag verbunden waren
und die ihnen bei ihrem materiellen Fortschritt behilflich
waren.
Aber wir sollten dabei auch nicht
vergessen, dass sich die materiellen Dinge mit der Entwicklung
von Expertise fortwährend verändern und weiterentwickeln.
Beispielsweise hat der Mensch den Namen “Lampe“ einem
bestimmten Ding gegeben, in das man einen Docht und ein wenig
Fett hinein geben konnte, wobei das Fett den angezündeten
Docht versorgte und so einen Ort in der Dunkelheit über einen
bestimmten Zeitraum hinweg erleuchten konnte. Dieser Apparat
veränderte sich im Laufe der Zeit, bis er heutzutage zu einer
elektrischen Glühbirne in verschiedensten Ausformungen
mutierte. Doch außer dem Namen “Lampe“ findet sich heute keine
einzige der materiellen Komponenten der ursprünglichen “Lampe“
in dem Gerät wieder.
Gleichsam verhält es sich auch mit der
äußeren Erscheinung von altertümlichen Waagen im Gegensatz zu
modernen Messgeräten, die keinerlei Ähnlichkeit mehr
miteinander aufweisen. Vor allem wenn wir die alten Apparate
vergleichen mit modernen Geräten, die dazu benützt werden,
Hitze, elektrischen Strom oder Blutdruck zu messen. In
gleicher Weise haben die Waffen und Rüstungen der alten Zeiten
mit den Erfindungen und Innovationen unserer Zeit nichts mehr
gemeinsam, außer dem Namen.
Die Dinge, denen einst bestimmte Namen
gegeben wurden, haben sich oftmals so sehr verändert, dass
nicht eine einzige Komponente der ursprünglichen Form noch in
ihnen erhalten geblieben ist, dennoch hat sich der Name nicht
verändert. Dies zeigt nun deutlich, dass das wichtigste
Element, das die Verwendung eines bestimmten Namens für ein
Ding erlaubt keineswegs die Form oder die materielle
Erscheinung ist, sondern dessen Zweck, Aufgabe und Nutzen.
Der Mensch, gefangen wie er ist, in einem
bestimmten Lebensraum und in seinen Gewohnheiten, kann diese
Realität nicht begreifen. Deswegen haben al-Ḥaschawiyyah
und diejenigen, die daran glauben, dass Gott einen Körper
besitzt, die Verse des heiligen Qur´ans ausgehend vom
Bezugssystem der Materie und der Natur interpretiert. In
Wirklichkeit aber stecken sie bloß in ihren Gewohnheiten fest
und orientieren sich nicht an der äußeren Realität des Qur´an
und an den Überlieferungen.
Selbst wenn nur von der wortwörtlichen
Bedeutung Qur´ans ausgegangen wird, so finden sich genügend
Beweise dafür, dass der Verlass auf die Gewohnheit und auf den
konventionellen Gebrauch bei der Erklärung und Erläuterung der
göttlichen Worte nur zu Verwirrung und Abnormität führen
würde. Zum Beispiel sagt Allah: „Es gibt nichts
Seinesgleichen (42:11); ...Er kennt das Verborgene und das
Offenkundige; und Er ist der Allweise, Der am besten
unterrichtet ist (6:73); Gepriesen sei Allah, erhaben über all
das, was sie beschreiben!“ (23:91; 37:159). Diese Verse
verdeutlichen, dass das, was uns vertraut ist und uns als
gewohnt erscheint, nicht Allah zugeschrieben werden kann.
Es war eben diese Tatsache, die viele
Menschen davon überzeugt hat, dass die Worte des heiligen
Qur´ans nicht ausreichend erklärt werden können, indem sie mit
ihrer üblichen und gebräuchlichen Bedeutung identifiziert
werden. Sie gingen dabei noch einen Schritt weiter und suchten
die Hilfe von Logik und philosophischer Beweisführung um das
Ziehen falscher Schlüsse zu vermeiden. Dies wiederum diente
als Stütze um wissenschaftliche Argumentation als Mittel
heranzuziehen um den Qur´an zu interpretieren und jene Person
oder jenes Dinge zu identifizieren, das durch ein bestimmtes
Wort bezeichnet wurde. Solche Diskussionen können nun auf
zweierlei Arten erfolgen:
1)
Der Exeget nimmt ein Problem her, dass sich aus einer
qur´anischen Aussage ergibt und betrachtet es von einem
wissenschaftlichen und philosophischen Standpunkt aus. Er wägt
die Vorteile und Nachteile ab und mit Hilfe der Philosophie,
der Wissenschaft und der Logik entscheidet er was die richtige
Antwort sein sollte. Dann nimmt er den entsprechenden Vers und
passt ihn irgendwie an die Antwort an, die er für richtig
erachtet. Die islamischen Philosophen und Theologen folgten
meist dieser Methode, aber wie bereits vorher erwähnt,
bestätigt der Qur´an selbst diese Methode nicht.
2)
Der Exeget erklärt die Verse mit Hilfe von anderen
relevanten Versen und meditiert dabei tief über diese in
Kombination miteinander – und der Qur´an selbst hat zur
Meditation und zur gründlichen Reflektion zwingend aufgerufen
– und kann so die bestimmten Personen oder Dinge durch jene
Eigenschaften und Eigenheiten identifizieren, die in dem
entsprechenden Vers angeführt werden. Es besteht kein Zweifel,
dass es sich hierbei um die korrekte Methode der Exegese
handelt.
Denn Allah sagte: „...Und wir haben
dir das Buch zur Erklärung aller Dinge hernieder gesandt“
(16:89). Wäre es demnach für solch ein Buch möglich sich
selbst nicht zu erklären? Des Weiteren beschrieb Gott den
Qur´an mit diesen Worten: „...indem der Qur´an als
Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist und als
klarer Beweis der Rechtleitung und der Unterscheidung
(zwischen richtig und falsch)“ (2:185); und Er sagte auch:
„Und wir sandten zu euch ein klares Licht herab“ (4:174).
Der Qur´an ist demnach eine Rechtleitung, ein Beweis, eine
Unterscheidung zwischen richtig und falsch und ein manifestes
Licht für die Menschen, um diese auf den richtigen Weg zu
leiten und ihnen bei all ihren Problemen und Bedürfnissen zu
helfen. Ist es demnach vorstellbar, dass der Qur´an die
Menschen in Bezug auf sich selbst nicht ebenfalls rechtleiten
würde, wo dies [das richtige Verständnis des Qur´an] doch
eigentlich ihr wichtigstes Bedürfnis ist?
Und so sagt Allah: „Und diejenigen,
die in Unserer Sache wetteifern und sich abmühen – Wir werden
sie gewiss auf unsere Wege leiten“ (29:69). Welches
Bemühen könnte größer sein, als das Vorhaben Sein Buch zu
verstehen? Und welcher Weg ist direkter als der Qur´an selbst?
Verse dieser Art sind zahlreich und wir werden sie zu Beginn
des dritten Kapitels: “Die Familie von Imran“ noch im
Detail erläutern.
Allah lehrte den Qur´an Seinem Propheten
und bestimmte ihn gleichzeitig auch als Lehrer des heiligen
Buches: „Der Geist des Glaubens und des Verständnisses
wurde mit ihm [dem Buch] herabgesandt auf dein Herz , auf dass
du ein Warner sein mögest, in arabischer Sprache, die deutlich
ist (26:193-4); ...und zu dir haben wir die Ermahnung
herabgesandt, auf das du den Menschen erklärest, was ihnen
herabgesandt wurde und auf dass sie nachdenken mögen“ (16:44);
...Der unter den Analphabeten einen Gesandten aus ihrer Mitte
erweckt hat, um ihnen Seine Verse zu verlesen und sie zu
reinigen und die Weisheit zu lehren...“ (62:2).
Der Prophet wiederum beauftragte seine
Nachkommenschaft damit, diese Arbeit nach ihm fortzuführen.
Das geht deutlich aus dieser einstimmig akzeptierten
Überlieferung hervor:
„Ich hinterlasse euch zwei wesentliche
Dinge; solange ihr an diesen beiden festhaltet, werdet ihr
nach mir niemals in die Irre gehen: das Buch von Allah und
meine Nachkommenschaft, die Mitglieder meiner Familie. Diese
beiden sollen niemals voneinander getrennt werden, bis sie
wieder mit mir vereint werden an der Quelle nie endender
Segnungen al-Kauthar.“
Allah hat in den folgenden beiden Versen
die Erklärung des Propheten, dass seine Nachkommenschaft das
wahre Wissen über das Buch besitzt, bestätigt „...Allah
will nur jegliches Übel von euch verschwinden lassen, O ihr
Menschen des Hauses [des Propheten] [arab.: Ahl-ul-Bait] und
euch stets in vollkommener Weise reinhalten. (33:33);“
„...dass dies gewisslich ein edler Qur´an ist, in einer wohl
aufbewahrten Urschrift. Keiner kann sie berühren außer den
Reinen“ (56:77-79).
Der Prophet und die Imame aus dessen
Nachkommenschaft wandten stets die zweite jener Methoden an,
die oben beschrieben wurden, um den Qur´an zu erläutern und zu
erklären. Dies wird auch aus den zahlreichen Überlieferungen
ersichtlich, die von ihnen bezüglich der Exegese des Qur´ans
erhalten sind und von denen wir an passender Stelle in diesem
Buch noch einige zitieren werden. In all ihren Überlieferungen
werden wir auf keinen einzigen Fall treffen, wo sie
wissenschaftliche Theorien oder philosophische Postulate zu
Hilfe genommen haben, um einen Vers zu deuten oder zu
erklären.
Der Prophet (s.) sagte in einer seiner
Ansprachen:
„Und demnach, wenn einst Unheil über
euch kommen wird, um euch zu verwirren wie die einzelnen
Abschnitte der finsteren Nacht, dann haltet fest am Qur´an;
denn er ist der Fürsprecher, dessen Fürsprache angenommen
werden soll; und er ist ein glaubwürdiger Anwalt; und wer auch
immer ihn vor sich halten wird, den wird er zu den Gärten
führen; und wer auch immer ihn hinter sich lassen wird, den
wird er in das Feuer führen; und er ist der Führer, der auf
den besten Weg leitet; und es ist ein Buch worin Erklärung,
Unterscheidung und Hingabe enthalten ist; und es ist eine
entscheidende Welt und nicht bloß ein Witz; und es liegt darin
eine manifeste, deutliche Bedeutung und eine spirituelle,
verborgene Bedeutung; und seine äußere, manifeste Bedeutung
ist stabil und deutlich und seine innere spirituelle Bedeutung
ist Wissen; seine äußere Form ist elegant und sein Inneres ist
tief; er beinhaltet viele Grenzen und Schichten; seine Wunder
sollen niemals aufhören und seine unerwarteten Schätze werden
niemals veraltet oder überholt sein. Darin sind Lampen der
Rechtleitung und Leuchten der Weisheit und eine Führung zu
Wissen und Weisheit für diejenigen, die die Eigenschaften
kennen. Deswegen sollte man seine Sicht erweitern; und sollte
seine Augen die wahren Eigenschaften erkennen lassen; so dass
jemand, der sich in Verdammnis befindet, Erlösung erreicht,
und dass jemand, der sich verfangen hat, befreit wird; denn
Meditation ist das Lebenselixier des Herzens desjenigen, der
sieht, sowie derjenige der ein Licht besitzt leicht durch die
Dunkelheit gehen kann; deswegen solltet ihr euch auf die Suche
nach der wahren Befreiung machen und das, ohne lang zu warten
oder zu zögern.“
Imam Ali (a.) sagte während einer
Ansprache über den heiligen Qur´an unter anderem folgendes:
„Der eine Teil kommuniziert mit dem
Anderen und der eine Abschnitt legt Zeugnis über den Anderen
ab.“
Dies ist nun der gerade und richtige Weg,
der auch von den wahren Lehrern des Qur´ans und seinen
rechtmäßigen Führern beschritten wurde, möge Allahs Segen auf
ihnen allen sein!
Unter verschiedenen Aspekten wollen wir
nun anführen, zu welchen Einsichten wir durch Allahs Erlaubnis
mit Hilfe der eben beschriebenen Methode hinsichtlich Seiner
geehrten Verse gelangt sind. Unsere Erklärungen basieren nicht
auf philosophischen Theorien, bestimmten wissenschaftlichen
Ideen oder mystischen Offenbarungen. Des Weiteren haben wir
weitgehend darauf verzichtet, äußere Faktoren mit
einzubeziehen mit Ausnahme von einigen feinen literarischen
und linguistischen Aspekten, von denen das Verständnis
arabischer Eloquenz und Redefertigkeit abhängt, sowie einigen
selbstverständlichen praktischen Vorraussetzungen, die von
einem Jeden leicht nachvollzogen werden können.
Von jenen Erörterungen, die entsprechend
der oben erläuterten Methode verfasst wurden, haben sich die
folgenden Themen heraus kristallisiert:
1.)
Die Angelegenheiten, die sich mit den Namen und
Eigenschaften von Allah beschäftigen, wie beispielsweise Sein
Leben, Sein Wissen, Seine Macht, Sein Hören, Sein Sehen, Seine
Einheit usw.. Was das Wesen Allahs selbst betrifft, so wird
deutlich, dass der Qur´an daran festhält, dass Er keiner
Beschreibung bedarf.
2.)
Die Angelegenheiten bezüglich der göttlichen
Handlungen, wie die Schöpfung, die Ordnung, der Wille, der
Wunsch, die Rechtleitung, die Irreführung, die Bestimmung, das
Maß, der Zwang, die Übertragung von Macht, die Zufriedenheit,
die Unzufriedenheit und ähnliches mehr.
3.)
Die Angelegenheiten betreffend, die als
zwischengeschaltete vermittelnde Bindeglieder zwischen Allah
und den Menschen fungieren, wie der Vorhang, die Tafel, der
Stift, der Thron, der Sessel, das bewohnte Haus, die Himmel,
die Erde, die Engel, die Satane, die Dschinn usw..
4.)
Die Details über den Menschen, bevor er in diese Welt
kam.
5.)
Die Angelegenheiten, die sich auf den Menschen in
diesem Leben beziehen, wie die Geschichte der Menschheit, die
Selbsterkenntnis, die Grundlagen der Gesellschaft, das
Prophetentum und die Gesandtschaft, die Offenbarung, die
Inspiration, das Buch, die Religion und ihre Gesetze. Auch die
hohe Stellung der Propheten, wie sie aus deren
Lebensgeschichten heraus ersichtlich wird, fällt ebenfalls
unter diesen Punkt.
6.)
Das Wissen über den Menschen nachdem er diese Welt
verlässt, das Wissen über die Welt der Todeszwischenphase [al-Barzach].
7.)
Die Angelegenheiten, die den Charakter des Menschen
betreffen. Unter diesen Aspekt fallen auch die verschiedenen
Stationen, welche die Freunde von Allah auf ihrer spirituellen
Reise durchlaufen, wie die vollkommene Hingabe, der
aufrichtige Glaube, Güte, Demut, Reinheit der Absicht und
andere Tugenden.
(Wir sind
hier nicht im Detail auf jene Verse eingegangen, die das
religiöse Recht und die Gesetze betreffen, denn dies wäre ein
passenderes Thema für Bücher der Rechtswissenschaften.)
Als ein unmittelbares Ergebnis jener
Methode, war es an keiner Stelle notwendig, irgendeinen Vers
entgegen seiner offensichtlichen Bedeutung zu interpretieren.
Denn wie schon zuvor erwähnt, wäre solch eine Art der
Interpretation genau genommen eine Form von
Missinterpretation. Was jene Auslegung und Interpretation
betrifft, von der der Qur´an in verschiedenen Versen selbst
spricht, so handelt es sich dabei nicht um verschiedene
mögliche Arten der Bedeutung; das ist etwas ganz Anderes.
Am Ende dieser Kommentare, sind einige
Überlieferungen des Propheten (s.) und der Imame der
Ahl-ul-Bait (a.) verzeichnet, sowie sie von sunnitischen und
schiitischen Gelehrten überliefert worden sind. Aber die
Meinungen der Gefährten und deren Schülern sind hier nicht
miteinbezogen worden, denn erstens findet sich in diesen zu
viel Verwirrung und Widerspruch und zweitens besitzen sie aus
islamischer Sicht keine gültige Autorität.
Aus den Überlieferungen des Propheten und
der Imame (Frieden sei auf ihnen allen) wird jedoch
ersichtlich, dass jene “neue“ Methode der Exegese, die in
diesem Buch zur Anwendung kommt, in Wirklichkeit nichts
anderes ist, als die älteste und ursprüngliche Methode, die
bereits von den großen Lehrern des Qur´an selbst angewandt
worden war. Zusätzlich wurden auch einige Themen einzeln
behandelt – Philosophisches, Akademisches, Historisches,
Soziales und Ethisches – dort wo es angebracht oder notwendig
erschien. In diesen Diskussionen, haben wir uns jedoch nur auf
die wesentlichsten Prämissen beschränkt, ohne ins Detail zu
gehen.
Wir beten zu Allah, Erhaben ist Er, uns
zu leiten und unsere Rede auf den Punkt zu bringen; Er ist der
beste Helfer und der beste Führer.
In Abhängigkeit von Allah,
Muhammad
Husain at-Tabatabai