Al-Mizan - Auslegung des
Qur’an
„Alles Lob
gebührt Allah“ (2)
Es wurde behauptet, dass das Wort “al-Ḥamd“
bedeutet, jemanden für etwas Gutes zu loben, das er sich
aufgrund seiner Absichten und seines eigenen Willens aneignen
konnte. Die Bedeutung von “al-Madḥ“
(was ebenfalls als Lob/Preis übersetzt werden kann)
hingegen ist allgemeiner zu deuten – es wird benützt, um
jemanden zu preisen, selbst wenn das Gute, das diesem zuteil
wurde, ohne das Zutun seines eigenen Willens oder aus eigener
Kraft bewirkt wurde. Wenn wir jemanden für seine Mildtätigkeit
und Güte loben, können wir beide der Begriffe verwenden (also
al-Ḥamd oder
al-Madḥ). Wenn
wir hingegen eine Perle für ihren schönen Glanz preisen
wollen, sollten wir das Wort al-Madḥ,
aber nicht das Wort al-Ḥamd
verwenden, denn die Perle hat ihren Glanz nicht durch ihren
eigenen Willen oder aus eigener Kraft erworben.
„Al“ (der bestimmte Artikel; hier
mit “Alles“ übersetzt) in „al-Ḥamd“
bezeichnet entweder jegliche Art und Ausformung von Lob oder
meint jede einzelne aller Lobpreisungen. Das Endergebnis ist
in beiden Fällen jedoch dasselbe; deswegen wird es hier ganz
einfach nur mit “Alles“ übersetzt.
Allah sagt im Qur´an: „Das ist Allah,
euer Herr, der Schöpfer aller Dinge“ (40:62). Was auch
immer existiert, ist von Allah erschaffen worden. Und an
anderer Stelle heißt es: “Der alles gut gemacht hat, was Er
erschuf...“ (32:7).
Demzufolge ist Alles gut, denn es wurde
von Allah erschaffen und es wird Ihm zugeschrieben. Mit
anderen Worten ausgedrückt: Ein Ding ist gut, wenn es von
Allah geschaffen wurde und alles, was von Ihm geschaffen
wurde, ist gut. Jedes Lebewesen ist gut und voller Schönheit,
denn Allah hat es so gestaltet. Und jedes gute und schöne Ding
wurde von Allah erschaffen und wird Ihm zugeschrieben. Allah
sagte: „ ...Er ist Allah, der Einzige, der Allbezwingende“
(39:4); „Und die Gesichter werden sich demütig vor dem
Ewiglebenden, dem Einzigerhaltenden, neigen...“ (20:111).
Mit anderen Worten, Er hat alle Geschöpfe durch Sein Wissen,
Seinen Willen und Seine Kraft geschaffen, und nicht weil
jemand anderer Ihn dazu angehalten oder es Ihm aufgetragen
hätte. Deswegen entspringt alles Seinem Werk, welches
essentiell gut ist, und alles wurde geschaffen durch Seinen
Willen.
Der obige Diskurs beschäftigte sich mit
Allahs Handlungen. Wenn wir nun aber zur Bedeutung Seiner
Namen kommen, so sagte Er folgendes: „Allah – es ist kein
Gott außer Ihm. Ihm kommen die schönsten Namen zu“ (20:8);
„Und Allahs sind die schönsten Namen. So ruft Ihn mit ihnen
an; und haltet euch von denen fern, die hinsichtlich Seiner
Namen eine abwegige Haltung einnehmen...“ (7:180). Es wird
deutlich, dass Allah das essentiell Gute verkörpert, sowohl
durch Seine Namen, als auch durch Seine Handlungen. Jegliches
Gute und Schöne strahlt von Ihm aus und hat in Ihm seinen
Ursprung.
Deswegen wird Allah sowohl für Seine
schönen Namen gepriesen, als auch für seine schönen Werke. So
gilt jegliche Form der Lobpreisung, die von irgendeinem
Sprecher für irgendein gutes oder schönes Werk geäußert wird,
in Wirklichkeit nur Allah alleine. Denn jegliche Form von Güte
oder Schönheit (die das Objekt einer Lobpreisung ist),
entspringt alleine Seiner Wesenheit. Kurz gesagt, Ihm ist
sowohl jede Art von Lobpreisung zuzuschreiben, als auch jede
einzelne Lobpreisung, die jemals geäußert wurde.
Der (noch zu behandelnde) Vers: „Dich
alleine verehren wir“ weist darauf hin, dass das gesamte
Kapitel stellvertretend für den Menschen offenbart wurde.
Allah lehrt den Menschen durch dieses Kapitel, wie er seinen
Herrn preisen und loben soll und wie er seine Treue und Seine
Demütigkeit Ihm gegenüber Ausdruck verleihen kann. Die Phrase
„Alles Lob gebührt Allah“ verstärkt diese
Schlussfolgerung noch, wie aus dem nächsten Absatz deutlich
erkennbar wird.
Lobpreisung bedeutet, etwas eine
Eigenschaft zu verleihen, jemandem etwas zuzuschreiben. Nun
hat Allah verkündet, dass Er über allem steht, was Seine
Diener Ihm zuschreiben. Er sagte: „Gepriesen ist Allah,
hoch über all das, was sie beschreiben. Ausgenommen die
erwählten Diener Allahs“ (37:159-160). Diese Aussage ist
allgemein und ohne spezielle Bedingungen und dies wird zudem
bewiesen durch die Tatsache, dass kein einziger Vers im ganzen
Qur´an die Handlung des “Lobpreisens“ (im Sinne von al-Ḥamd)
irgendjemandem zuschreibt, außer Allah und manchen Seiner
Propheten (die ohne Zweifel von allen Sünden befreit worden
waren). Allah wandte sich mit folgenden Worten an den
Propheten Nūḥ
(Noah) (a.): „Sprich: `Alles Lob gebührt Allah, Der uns vor
dem ruchlosen Volk gerettet hat.´“ (23:28). Und Er zitiert
Ibrāhīm (Abraham) (a.) als dieser sagte: „Alles Lob
gebührt Allah, der mir, ungeachtet des Alters, Ismail und
Isaak geschenkt hat“ (14:39). Er sagte zu Seinem Propheten
Muhammad (s.) an mehreren Stellen: „Und sprich: `Aller
Preis gebührt Allah´...“ (27:93). Des Weiteren sagte Er
über Dāwūd und Sulaymān (David und Salomo) (a.): „...und
beide sagten:` Alles Lob gebührt Allah. ´...“ (27:15).
Eine weitere Ausnahmen stellen die Leute
des Paradieses dar – die ebenfalls von jeglicher Boshaftigkeit
und Gehässigkeit, von jeglicher Eitelkeit und jeglichen
sündhaften Worten befreit worden sind: „...und zuletzt
werden sie rufen: `Alles Lob gebührt Allah, dem Herrn der
Welten“ (10:10).
Was aber alle anderen Geschöpfe betrifft,
so spricht der Qur´an nie davon, dass jene Allah “lobpreisen“
– alles was ihnen zusteht ist, dass sie Allah durch Seine
(eigene) Lobpreisung verherrlichen und rühmen können. Allah
sagt: „...so auch, wenn die Engel ihren Herrn mit Seiner
Lobpreisung verherrlichen...“ (42:5); „...und der Donner
lobpreist Seine Herrlichkeit mit Seinem Lobpreis...“ (13:13);
„und es gibt nichts, was Seine Herrlichkeit nicht preist mit
Seiner Lobpreisung...“ (17:44).
In all diesen Versen geht der
“Lobpreisung“ die Verherrlichung voraus; es ist genau genommen
sogar so, dass das “Verherrlichen“ dass Hauptverb darstellt
und “mit/durch Lobpreisung“ nur ein Nebensatz ist, der daran
angehängt wird. Denn niemand außer Allah kann die Schönheit
und Vollkommenheit Seines Werkes wirklich begreifen, noch kann
irgendjemand außer Allah die Schönheit und Vollkommenheit der
göttlichen Namen und Eigenschaften verstehen. Allah sagt:
„...sie aber können es nicht mit Wissen umfassen“ (20:110).
Wenn sie nun denken würden, dass es ihnen
zustehe Ihn selbst zu lobpreisen, dann würde das – vor diesem
Hintergrund betrachtet – bedeuten, dass sie Ihn nur durch ihr
eigenes beschränktes Wissen begreifen und verehren können. Mit
anderen Worten ausgedrückt: Sie würden meinen, Allah könnte
durch ihr limitiertes Verständnis, eingezwängt durch die
Grenzen ihrer Begrifflichkeiten, umfasst werden können.
Deswegen waren sie darauf bedacht, ihre Verherrlichungen
zunächst von dem Standpunkt ihres begrenzten Verstehens aus,
auszudrücken, bevor sie damit beginnen konnten, Ihn durch
Seine eigenen Lobpreisungen zu verehren. Allah sagt:
„Gewiss, Allah weiß und ihr wisst nicht“ (16:74).
Was nun aber Seine von allen Fehlern
gereinigten Diener anbelangt, so behandelte Er deren Ausdruck
von Lobpreisung genauso, als ob Er selbst gesprochen hätte,
denn sie sind frei von jeglicher Sünde und jeglichem Mangel.
Durch den obigen Diskurs, wird nun mehr
als deutlich, was das angebrachte Benehmen eines Dieners
voraussetzt: Der Diener sollte Seinen Herren mit denselben
Worten lobpreisen, die der Herr selbst dafür ausgewählt hat
und nicht die geringste Abweichung davon kann als akzeptabel
betrachtet werden. So sagte der Prophet in einer allgemein
anerkannten Überlieferung folgendes: „Ich vermag es nicht
Deine Lobpreisungen aufzuzählen; Du bist so, wie nur Du selbst
es vermagst Dich zu preisen...“.
Deswegen sollten die göttlichen Worte:
„Alles Lob gebührt Allah“ auch als eine Art Trainings-
oder Ausbildungsprogramm für den Diener verstanden werden –
eine Übung, ohne die er niemals wissen könnte, auf welche
Weise er die Lobpreisung Allahs Ausdruck verleihen sollte.