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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Alois Musil war ein bedeutender österreichisch-tschechischer
Orientalist, Theologe, Geograph und gilt als einer der letzten
großen europäischen Universalgelehrten des späten 19. und
frühen 20. Jh. n.Chr.. Während des Ersten Weltkrieges wurde er
zeitweilig zum Gegenspieler von T. E. Lawrence (Lawrence von
Arabien).
Er wurde am 30. Juni 1868 in Rychtarov einem kleinen Dorf
in Mähren, als Sohn eines Bauern geboren. Nach der
Schulausbildung studierte er römisch-katholische Theologie an
der Universität Olmütz. 1891 wurde er zum Priester geweiht,
1895 erlangte er den Doktorgrad der Theologie. Zunächst
beschäftigte sich Alois Musil mit tschechischer
Religionsgeschichte im 17. und 18. Jh., widmete sich jedoch
bald grundsätzlichen Religionsfragen. Vor allem interessierten
ihn die Wurzeln des
Monotheismus im
Christentum,
Judentum und
Islam.
1895 begann er ein Studium orientalischer Sprachen an der
École biblique der französischen Dominikaner in
Jerusalem, 1897–98 studierte er an der
Jesuiten-Universität Beirut, 1899 in London, Cambridge und
Berlin. Von 1902 bis 1909 war er Professor für
alttestamentliche Bibelstudien an der Universität Olmütz,
1909-20 Professor für biblische Hilfswissenschaften und
Arabisch an der Universität Wien, 1920-1938 Professor für
Orientalistik an der Universität Prag, wo er das orientalische
Institut begründete.
Musil unternahm nach 1895 eine Reihe ausgedehnter
Forschungsreisen durch
Arabien. Der Erzbischof von Olmütz, Theodor Kohn,
ermöglichte Musil mit einem großzügigen Stipendium
umfangreiche Bibelstudien. In Jerusalem forschte Musil in den
1890er Jahren in der Bibliothek der französischen Dominikaner,
in Beirut an der St. Josef-Universität, einer jesuitischen
Institution. Während dieser Zeit unternahm er eine Reihe von
Forschungsreisen zu biblischen Orten im Nahen Osten, die von
der tschechischen Akademie der Wissenschaften finanziert
wurden. Seit 1909 war Musil Professor für Biblische
Hilfswissenschaften und arabische Sprachen an der
Theologischen Fakultät der Universität Wien. In dieser Zeit
entwickelte er eine enge Beziehung zum Haus Habsburg. 1912
unternahm er mit Prinz Sixtus von Bourbon-Parma, dem Bruder
der Thronfolgergemahlin und späteren Kaiserin Zita, eine
gemeinsame Orientreise.
Sein Kartenwerk Arabia Petraea, 1907 veröffentlicht,
bildete eine erste wissenschaftliche Bestandsaufnahme der
nabatäischen Altertümer, unter anderem der Ruinen von Petra.
Später veröffentlichte er ein monumentales Werk über
Qusair Amra, dessen Entdeckung ihm zugeschrieben wird, und
andere Schlösser der
Umayyaden. Von 1898 bis 1935 war Musil, der Schriften in
tschechischer, deutscher und arabischer Sprache
veröffentlichte, als Professor an verschiedenen Hochschulen in
Olmütz, Wien und Prag tätig.
Während des Ersten Weltkrieges unternahm er im Auftrag des
österreichischen Kaisers Franz Joseph in den Jahren 1914/15
und 1917 Reisen ins
Osmanische Reich. Er sollte zwischen dem Hof in
Istanbul, der mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen
Reich verbündet war und den arabischen Fürsten vermitteln, die
mit den Engländern sympathisierten. Es gelang ihm zumindest,
die nordarabischen Stämme vom direkten Aufstand abzuhalten.
Dadurch kamen die Bemühungen seines Gegenspielers auf
britischer Seite, Thomas Edward Lawrence (Lawrence von
Arabien) erst zum Erfolg, als sie für den Kriegsausgang nicht
mehr entscheidend waren.
Ursprünglich beabsichtigte Musil nach dem Ersten Weltkrieg
in Wien zu bleiben. Aufgrund seiner klaren Zuordnung zur
tschechischen Kultur wurde ihm eine Fortführung des
Dienstverhältnisses an der Universität durch die Republik
Österreich nicht in Aussicht gestellt. Musil zog daher in die
Tschechoslowakei. Von 1920 bis 1935 war Musil Professor für
orientalische Hilfswissenschaften und Arabisch an der
Philosophischen Fakultät der Universität Prag. Zwischen 1923
und 1928 reiste er mehrfach in die USA, um die
Veröffentlichung seiner Werke in englischer Sprache voran zu
bringen. Bis 1928 erschienen sechs Bände mit Musils
Forschungsergebnissen in der Reihe "Oriental Explorations and
Studies" der "American Geographical Society".
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen konnte Alois
Musil Unternehmer für Investitionen im Nahen Osten gewinnen,
was unter anderem zu den Skoda-Werken im heutigen
Syrien
geführt hat.
Musil blieb zeitlebens ein Beobachter der Verhältnisse im
Vorderen Orient. Er publizierte immer wieder darüber und hielt
dazu auch Vorlesungen am Prager Technologischen Institut. Als
Priester und Theologe beteiligte er sich zudem immer wieder an
bibelwissenschaftlichen Diskussionen. In seinem öffentlichen
Engagement für den Nahen Osten ließ Musil nicht nach. Die
tschechische Regierung trat in die Fußstapfen der
untergegangenen Donaumonarchie und tschechische Unternehmen
investierten in die Länder des Nahen Ostens. Musil spielte
hier eine entscheidende Rolle, denn er besaß nicht nur
hervorragende Kontakte in den Orient, sondern auch Beziehungen
zum tschechischen Ministerium für Außenhandel.
Während seiner Prager Jahre lebte Musil im Kloster der
Barmherzigen Brüder. Er starb am 12. April 1944 in
Otryby südlich von Prag. Sein umfangreicher wissenschaftlicher
Nachlass umfasst 39 Bücher und mehr als 1240 Aufsätze.
Immer wieder wird angegeben, dass sich Musil Zeit seines
Lebens für einen Dialog mit dem
Islam
eingesetzt habe. Wie er selbst bekannte, war er in den 1890er
Jahren in seiner tschechischen Heimat ursprünglich ein
begeisterter Anhänger des Zionismus. Seine Reisen in die
arabische Welt ließen ihn jedoch sein Weltbild revidieren. Er
erkannte frühzeitig ein bis heute aktuelles Problem: Der
Zustrom von Kolonisten im missbrauchten Namen des
Judentums nach
Palästina führe zu einer langfristigen Verarmung der
arabischen Landbevölkerung.