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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Ein Gebetsstein ist ein Hilfsmittel, um bei der
Niederwerfungen [sadschda] die Stirn auf
Lehm
zu legen.
Der Begriff "Gebetsstein" ist ein missverständlicher
Ausdruck, da es sich nicht um einen Stein, sondern um
gepresste Erde handelt, das besser als Erdstempel bezeichnet
werden könnte.
Gemäß dem Ritus der
dschafaritischen
Rechtsschule ist bei der
Niederwerfung im
Ritualgebet gemäß dem
Vorbild [sunna] des
Propheten Muhammad (s.) eine
religiöse Verpflichtung [wadschib] seine Stirn auf reine
Erde zu legen. Ist dies nicht möglich, da man nicht draußen
betet, verwendet man einen Gebetsstein aus gepresster Erde,
auf den man seine Stirn legt.
Die Bezeichnung "Stempel" in vielen Sprachen der
Muslime ist darauf zurückzuführen, dass
die Erde Spuren auf der Stirn hinterlässt, gemäß der Aussage
des
Heiligen Quran, dass die wahrhaftigen Gläubigen an den
Spuren, die ihre
Niederwerfungen auf Erde hinterlassen, zu erkennen sind
(vgl. 48:29).
Die unabdingbare Funktion der Erde als
rituell Reinigendes [mutahhirah] Element hängt mit dem
Charakter der
Niederwerfungen zusammen. Die beiden
Niederwerfungen
symbolisieren unter anderem die Geburt aus
Lehm
als Bestandteil der
Erde [ardh] (erste
Niederwerfung und Aufrichten) und das Sterben und
Wiederauferstehen (zweite
Niederwerfung und Aufrichten) mit
der Bedeutung: Von
Lehm wurden wir erschaffen und zu ihm
kehren wir zurück.
Die
Erde [ardh] trägt den Menschen und versorgt ihn mit den
lebensnotwendigen Nahrungsmitteln. Sie ist der Sammelplatz für
Lebende und Tote (vgl.
Heiliger Quran 77:25-26). Die Erde ist so heilig, dass
der
Prophet Muhammad (s.) unter allen Menschen
Imam Ali (a.) mit dem Beinamen
Abu Turab (Vater des Lehms)
benannt hat.
Im
Heiligen Quran steht über den
Menschen: "Aus ihr (dem Lehm) haben Wir euch
erschaffen, und in sie werden wir euch zurückkehren lassen,
und aus ihr bringen wir Euch abermals hervor." (20:54)
Imam Ali (a.) erläuterte die Bedeutung der zwei
Niederwerfungen [sadschda] in jedem
Gebetsabschnitt [raka] mit obigem
Vers
aus dem
Heiligen Quran: Der
Mensch legt zum ersten Mal seine Stirn auf
die Erde. Das entspricht der ersten Erschaffung des Menschen
aus Erde. Dann richtet man sich von dieser ersten
Niederwerfung [sadschda] auf zum Sitzen, das heißt, man tritt ins Leben
ein. In der darauf folgenden zweiten
Niederwerfung [sadschda] berührt die Stirn
erneut die Erde und diese zweite
Niederwerfung [sadschda] symbolisiert den Tod und wie man damit
wieder zur Erde zurückkehrt. Dann richtet man sich von der
zweiten
Niederwerfung [sadschda] erneut auf und geht wieder aus der Erde
hervor (Auferstehung
[qiyam] am
Tag der Auferstehung [yaum-ul-qiyama]), gemäß dem genannten
Vers
des
Heiligen Quran.
Als besonders empfehlenswert werden Gebetssteine mit Erde
aus
Kerbela angesehen in Erinnerung an
Aschura und in der Liebe zu den
Ahl-ul-Bait (a.), die diese Praxis eingeführt haben.
Imam Zain-ul-Abidien (a.) wickelte nach
Aschura eine Hand voll Erde von
Kerbela in ein Tuch und nahm sie mit. Zum Gebet breitete
er sein Tuch mit der Erde von
Kerbela vor sich aus und legte bei der
Niederwerfung seine Stirn auf diese Erde. Ähnliches wird
auch von anderen der
Zwölf Imame (a.) überliefert.
Ein Mann namens Himairi schrieb an
Imam
Mahdi (a.) vor seiner großen
Verborgenheit die Frage, ob die
Niederwerfung auf den aus Kerbela-Erde hergestellten
Gebetsstein tugendhaft sei. Der Imam (a.) antwortete, dass die
Niederwerfung [sadschda] auf
Imam Husains (a.) Erde zulässig und tugendhaft sei.
Die Besonderheit jener Erde war allerdings auch schon zu
Lebzeiten von
Prophet Muhammad (s.) bekannt. Gemäß einer bei allen
Muslimen bekannten
Überlieferung hatte er (s.) den jungen
Husain (a.) auf seinem Schoß.
Prophet Muhammad (s.) weinte und hielt eine
Handvoll Erde in der Hand. Der
Überlieferer [rawi] fragte nach der Erde. Er antwortete:
"Gabriel
(a.) hat sie mir gebracht und teilte mir mit: 'Durch
deine
Islamische Weltgemeinschaft wird dein Sohn (gemeint ist
sein Enkel) in
Kerbela zum
Märtyrer werden'. Dann hat der
Prophet die Erde
Umm Salama gegeben und sagte: 'Wenn diese Erde sich eines
Tages blutig färbt, ist
Husain
Märtyrer geworden'.
Umm Salama sah in der Nacht nach
Aschura einen Traum, in dem sich die Erde rot färbte.
Daraufhin wachte sie auf und sah die Erde, die sie in einer
Flasche aufbewahrt hatte, in einer blutroten Farbe und wusste,
dass
Imam Husain (a.)
Märtyrer geworden war".
Die
Niederwerfung auf den Gebetsstein erfolgt allerdings nicht
mit der
Absicht [niyya], die Kerbela-Erde oder überhaupt
irgendeine Erde anzubeten, wie es von manchen Gegnern
fälschlicherweise behauptet wird. Die
Niederwerfung gebührt allein
ALLAH.
In einer
Überlieferung heißt es: "Die Zeit, in der Gottes Diener
ihrem Herrn am nächsten stehen, ist der Augenblick bei der
Niederwerfung auf Erde".
Für versehrte oder alte Betende, denen die
Niederwerfung [sadschda] auf den Boden nicht mehr möglich
ist, gibt es zur Unterstützung unter anderem den
Gebetssteinhalter oder ein
Niederwerfungspult.
Kleine Sammlung Gebetssteine im
Staatlichen Museum für Völkerkunde München, dort als
Gebetssiegel bezeichnet (Foto Y. Özoguz 2014)